Auf den Schwingen des Adlers
war entsetzt. »Sie haben ja keine Ahnung«, sagte er. »Das ist eine ganz fürchterliche Gegend. Die Leute dort sind Kurden und Aserbaidschaner – wilde Bergvölker, die sich um keine Regierung scheren. Wissen Sie, von was die da oben leben? Von Schmuggel, Raub und Mord. Ich selbst würde mich dort nicht hintrauen. Wenn Sie, ein Amerikaner, dorthingehen, kommen Sie nie zurück. Nie!«
Boulware hielt das für übertrieben. »Ich muß auf jeden Fall dorthin, auch wenn es gefährlich ist«, sagte er. »Wie ist es, kann ich ein kleines Flugzeug kaufen?«
Mr. Fish schüttelte den Kopf. »In der Türkei ist es Privatpersonen verboten, Flugzeuge zu besitzen.«
»Und Hubschrauber?«
»Dito.«
»Na gut, kann ich ein Flugzeug chartern?«
»Das geht. Wenn es keine Linienflüge gibt, darf man chartern.«
»Gibt es Linienflüge im Grenzgebiet?«
»Nein.«
»Alles klar.«
»Aber Chartern ist hier so unüblich, daß Sie garantiert die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich ziehen ...«
»Wir haben nichts Ungesetzliches im Sinn. Trotzdem wollen wir nicht unbedingt mit Nachforschungen geplagt werden. Finden Sie heraus, was angeboten wird und was es uns kosten würde, aber machen Sie noch nichts fest. Ich möchte inzwischen mehr über den Landweg dorthin in Erfahrung bringen. Wenn Sie mich nicht begleiten wollen, einverstanden. Aber vielleicht können Sie jemanden auftreiben, der dazu bereit ist.«
»Ich sehe zu, was sich machen läßt.«
In den folgenden Tagen trafen sie sich mehrmals. Mr. Fishs anfängliche Reserviertheit löste sich in Wohlgefallen auf, und Boulware hatte das Gefühl, daß sie Freunde wurden. Mr. Fish war vif und beredt. Obwohl er kein Krimineller im herkömmlichen Sinn war, so würde er doch – vorausgesetzt, Risiko und Reingewinn hielten sich die Waage – gegen das Gesetz verstoßen. Jedenfalls, soweit Boulware das beurteilen konnte. Er hatte Verständnis für diese Haltung – auch er würde unter gewissen Umständen das Gesetz brechen.
Außerdem verstand sich Mr. Fish darauf, schlaue Fragen zu stellen, und nach und nach erzählte Boulware ihm die ganze Geschichte. Er gab zu, daß Paul und Bill wahrscheinlich keine Pässe hätten; die würden sie aber, waren sie erst einmal in der Türkei, beim nächsten amerikanischen Konsulat bekommen. Paul und Bill würden wohl Schwierigkeiten haben, den Iran zu verlassen, teilte er mit, und er selbst wolle auf die Möglichkeitvorbereitet sein, die Grenze in einer kleinen Maschine zu überfliegen, um sie rauszuholen.
Nichts aber entsetzte Mr. Fish so sehr wie der Gedanke an eine Überlandfahrt durch eine von Räubern und Banditen verunsicherte Gegend.
Dennoch stellte er Boulware ein paar Tage später einen Mann vor, der Verwandte unter den Gebirgsbanditen hatte. Mr. Fish flüsterte Boulware zu, dieser Mann sei ein Verbrecher, und so sah er auch aus: Er hatte eine Narbe im Gesicht und kleine, stechende Augen. Er versprach Boulware sicheren Transfer zur Grenze und zurück; falls nötig, würden ihn seine Verwandten sogar über die Grenze in den Iran bringen.
Boulware rief in Dallas an und erzählte Merv Stauffer von dem Vorhaben. Stauffer übermittelte die Nachricht verschlüsselt an Coburn und dieser gab sie an Simons weiter. Simons war dagegen. Wenn der Mann ein Krimineller ist, so argumentierte er, können wir ihm nicht über den Weg trauen.
Boulware ärgerte sich. Die Vereinbarung hatte ihn ziemlich viel Mühe gekostet – glaubte Simons eigentlich, es sei ein Kinderspiel, an solche Leute heranzukommen? Und wenn man in ein Gebiet, in dem die Räuber lebten, reisen wollte – wer, außer einem Räuber, wäre bereit, einen zu begleiten? Aber Simons war der Boß, und Boulware blieb nichts anderes übrig, als Mr. Fish zu bitten, noch einmal von vorne anzufangen.
In der Zwischenzeit waren Sculley und Schwebach, das tödliche Duo, in Istanbul gelandet.
Die beiden hatten einen Flug von London über Kopenhagen nach Teheran gebucht, doch die Iraner hatten den Flughafen wieder einmal dicht gemacht, und so schlossen sich Sculley und Schwebach Boulware in Istanbul an. Im Hotel eingesperrt und zum Warten verdammt, entwickelten sie unwillkürlich Platzangst. Schwebach griff auf seine Erfahrungen als Green Beret in Asien zurück undversuchte, sie alle in Form zu halten, indem er sie die Hoteltreppen rauf- und runterrennen ließ. Boulware machte einmal mit, dann gab er es auf. Sie verloren die Geduld mit Simons, Coburn und Poché, die anscheinend nichts weiter taten,
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