Auf den Schwingen des Adlers
arbeitete – wen hatte Mr. Fish dann auf der Flucht durch die Stadt verdächtigt, hinter ihnen her zu sein?
Vielleicht war Ilsman nur freier Mitarbeiter des Geheimdienstes. Achttausend Dollar waren in der Türkei eine Menge Geld. Es bestand sogar die Möglichkeit, daß Ilsman seinen Vorgesetzten erzählte, was er vorhatte. Immerhin konnte er sich ausrechnen, daß kein Schaden entstünde, wenn er Boulware half – vorausgesetzt, dessen Geschichte stimmte. Und der beste Weg, ihm, im Falle daß er log, auf die Schliche zu kommen, war, ihn bis zur Grenze zu begleiten.
Wie auch immer, Ilsman schien zur Zeit der beste Mann zu sein, der zu bekommen war. Boulware stimmte dem Preis zu, und Ilsman öffnete zur Feier des Tages eine Flasche Scotch.
*
Während sich die anderen Mitglieder des Befreiungsteams in verschiedenen Teilen der Welt mit diversenKleinigkeiten herumärgerten, fuhren Simons und Coburn die Strecke von Teheran zur türkischen Grenze ab.
»Erkundung«, hieß Simons’ Losungswort. Er wollte mit jedem Zentimeter seines Fluchtwegs vertraut sein, bevor er ihn gemeinsam mit Paul und Bill antrat. Wurde in diesem Teil des Landes gekämpft? Wie stark war die Polizeiüberwachung? Waren die Straßen im Winter passierbar? Waren die Tankstellen geöffnet?
Nach Sero, der Grenzstation, für die er sich entschieden hatte, gab es zwei Routen. Er gab Sero den Vorzug, weil es eine wenig frequentierte Grenzstation in der Nähe eines winzigen Dorfes war, die kaum benutzt und nur oberflächlich bewacht sein würde, wohingegen es in Barzagan – die Alternative, die Mr. Fish nach wie vor empfahl – sicher geschäftiger zuging. Die nächste größere Stadt im Umkreis von Sero war Rezaiyeh. Direkt an der Straße von Teheran nach Rezaiyeh lag der einhundertsechzig Kilometer lange gleichnamige See. Man mußte ihn entweder in nördlicher oder in südlicher Richtung umfahren. Die Nordroute führte, wahrscheinlich über bessere Straßen, durch größere Städte. Daher zog Simons – vorausgesetzt, die Straßen waren passierbar – die Südroute vor. Auf ihrer Erkundungsfahrt, beschloß er, würden sie beide Strecken ausprobieren, die nördliche auf dem Hin-, die südliche auf dem Rückweg.
Das beste Gefährt für eine solche Tour war vermutlich ein britischer Range Rover, eine Kreuzung zwischen Jeep und Kombi. Es gab zur Zeit keinen funktionierenden Gebrauchtwagenhandel in Teheran, weshalb Coburn dem Cycle Man den Auftrag gab, zwei Range Rover aufzutreiben. Die Lösung, die der Cycle Man fand, entsprang dem ihm eigenen Einfallsreichtum. Er ließ Zettel mit seiner Telefonnummer und dem Satz: »Wenn Sie Ihren Range Rover verkaufen wollen, rufen Sie diese Nummer an«, drucken. Dann fuhr er auf seinem Motorrad durch die Gegend und klemmte bei jedem Range Rover, den er fand,einen Zettel hinter die Scheibenwischer. Auf diese Weise erwarb er zwei Rover für je zwanzigtausend Dollar. Außerdem besorgte er Werkzeug und Ersatzteile, mit denen sie sämtliche Reparaturen, von größeren Schadensfällen abgesehen, selbst ausführen konnten.
Simons und Coburn nahmen auf ihrer Fahrt zwei Iraner mit: Madjid und einen seiner Vettern, einen Professor an der landwirtschaftlichen Hochschule in Rezaiyeh. Der Professor hatte seine amerikanische Frau und ihre Kinder nach Teheran gebracht und in ein Flugzeug in die Staaten gesetzt – Simons’ vorgeblicher Grund für die Fahrt lautete, er bringe den Professor nach Rezaiyeh zurück.
Frühmorgens verließen sie, eins von Keane Taylors Zweihundert-Liter-Fässern mit Benzin hinten im Auto, Teheran. Die ersten einhundertsechzig Kilometer bis Ghazvin legten sie auf einer modernen Autobahn zurück. Hinter Ghazvin gab es nur noch eine zweispurige Asphaltstraße. Die Hügel ringsum waren schneebedeckt, doch die Straße selbst frei. Wenn es so bis zur Grenze weitergeht, dachte Coburn, könnten wir es in einem Tag schaffen.
In Zanjan, genau in der Mitte der 600-Kilometer-Strekke von Teheran nach Rezaiyeh, hielten sie an und sprachen mit dem örtlichen Polizeichef, einem Verwandten des Professors. Dieser Landesteil sei friedlich, sagte der Mann. Wenn überhaupt, dann war in der Gegend von Täbris mit Schwierigkeiten zu rechnen.
Den ganzen Nachmittag über setzten sie ihre Fahrt auf schmalen, aber guten Landstraßen fort. Nach weiteren hundertsechzig Kilometern kamen sie in Täbris an. Dort wurde gerade demonstriert, aber das war nichts im Vergleich zu den Straßenschlachten, die sie aus Teheran gewohnt waren,
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