Auf den Schwingen des Adlers
als tatenlos in Teheran herumzusitzen. Warum sorgten diese Burschen nicht dafür, daß endlich etwas geschah? Dann schickte Simons Sculley und Schwebach wieder in die Staaten. Die Radios ließen sie bei Boulware.
Als Mr. Fish die Radios sah, bekam er einen Wutanfall. Es sei höchst gesetzwidrig in der Türkei, Sender zu besitzen, erklärte er Boulware. Selbst normale Transistorradios müßten von der Regierung genehmigt sein, denn man hatte Angst, ihre Einzelteile könnten von Terroristen zum Bau von Sendern verwendet werden.
»Verstehen Sie eigentlich nicht, wie verdächtig Sie sich damit machen?« sagte er. »Sie haben eine Telefonrechnung von tausend Dollar pro Woche, und Sie zahlen bar. Sie erwecken nicht den Anschein, als tätigen Sie hier Geschäfte. Die Zimmermädchen haben Ihre Radios garantiert entdeckt und das weitererzählt. Sie stehen bestimmt schon unter Überwachung. Ihre Freunde im Iran können Sie vergessen – Sie sind es, der im Gefängnis enden wird.«
Boulware stimmte zu, daß er die Radios loswerden mußte. Jede weitere Verzögerung zog neue Probleme nach sich. Jetzt konnten weder Sculley noch Schwebach in den Iran zurückkehren, und doch verfügte keiner von ihnen über einen Sender. Und Simons sagte zu allen Vorschlägen weiterhin nein.
Mr. Fish wies darauf hin, daß es zwei Grenzübergänge aus dem Iran in die Türkei gab, einen in Sero, den anderen in Barzagan. Simons hatte sich für Sero entschieden. Barzagan war ein größerer, modernerer Ort, dort ging es zivilisierter zu, meinte Mr. Fish, alles sei dort ein wenig sicherer. Simons sagte wiederum nein.
Sie fanden jemand anders, der Boulware zur Grenze begleiten sollte. Mr. Fish hatte einen befreundetenKollegen, dessen Schwager im türkischen Geheimdienst MIT (Milli Istihbarat Teskilati) arbeitete. Der Agent hieß Ilsman. Seine Empfehlungen würden Boulware im Banditengebiet den Schutz der Armee sichern. Ohne solche Empfehlungen sei der Durchschnittsbürger nicht nur durch die Banditen, sondern auch durch die türkische Armee gefährdet.
Mr. Fish war überaus nervös. Auf dem Weg zum Treffen mit Ilsman scheuchte er Boulware durch ein regelrechtes Räuber-und-Gendarm-Spiel – wechselte die Autos und fuhr eine ganze Strecke mit dem Bus, als wolle er einen Verfolger abschütteln. Boulware sah nicht ein, daß sie all dies auf sich nehmen mußten, um einen aufrechten Bürger zu besuchen, der eben zufällig für den Geheimdienst arbeitete. Aber er war fremd in der Türkei, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als Mr. Fish zu folgen und zu vertrauen.
Am Ende kamen sie zu einem großen, heruntergekommenen Wohnblock in einem Boulware unbekannten Teil der Stadt. Der Strom war ausgefallen – genau wie in Teheran –, und Mr. Fish brauchte eine ganze Weile, um im Dunkeln die richtige Wohnung zu finden. Zuerst machte ihnen niemand auf. Mr. Fishs Versuch, die Mission geheimzuhalten, scheiterte jetzt, denn er mußte eine Zeitlang, die ihnen wie eine Ewigkeit vorkam, an die Tür hämmern. Währenddessen konnte jeder Bewohner des Hauses sie genauestens in Augenschein nehmen. Boulware stand dabei und fühlte sich wie ein Weißer in Harlem. Endlich öffnete ihnen eine Frau und sie traten ein.
Die Wohnung war klein und schäbig, mit altmodischen Möbeln ausgestattet und nur unzureichend mit Kerzen beleuchtet. Ilsman war klein und dick und ungefähr in Boulwares Alter, also etwa fünfunddreißig. Seine Füße hatte er gewiß schon seit Jahren nicht mehr gesehen – er war ganz einfach fett. Boulware fühlte sich unwillkürlich an den Klischeepolizisten im Film erinnert: Der Anzug saß viel zu knapp, das Hemd war total verschwitzt, undda, wo der vorhandene Hals sein sollte, ringelte sich eine zerknitterte Krawatte.
Sie setzten sich, und die Frau, die Boulware für Mrs. Ilsman hielt, servierte ihnen Tee. Boulware brachte sein Problem vor. Ilsman war mißtrauisch. Er nahm Boulware über die beiden Flüchtlinge ins Kreuzverhör. Woher wußte Boulware, daß sie wirklich unschuldig waren? Warum hatten sie keine Pässe? Wie würden sie in die Türkei gelangen? Schließlich, offenbar überzeugt, daß Boulware ihm ehrlich Rede und Antwort gestanden hatte, bot er an, Paul und Bill für achttausend Dollar, alles inklusive, von der Grenze nach Istanbul zu bringen.
Boulware fragte sich, ob Ilsman nicht nur ein Strohmann war. Amerikaner ins Land zu schmuggeln, war ein etwas abwegiger Zeitvertreib für einen Geheimdienstagenten. Und wenn Ilsman wirklich beim MIT
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