Auf den Schwingen des Adlers
Man befahl ihnen, vor einem weißgetünchten Haus zu halten. Einer ihrer Bewacher ging hinein, kam eine Minute später wieder heraus und setzte sich ohne ein Wort der Erklärung wieder in den Fond.
Sie hielten wieder vor einem Gebäude, offensichtlich voreinem Krankenhaus. Dort nahmen sie einen weiteren Passagier auf, einen jungen Iraner, der einen Anzug trug.
Coburn fragte sich, was, zum Teufel, eigentlich hier vorging. Schließlich gelangten sie auf eine Nebenstraße und parkten vor einem kleinen Privathaus.
Sie traten ein. Raschid sagte ihnen, sie sollten die Schuhe ausziehen.
Gayden hatte mehrere tausend Dollar in Hunderten in seinen Schuhen versteckt. Während er sie auszog, schob er die Scheine hektisch in die Schuhspitzen.
Sie wurden in einem großen Raum geführt, der bis auf einen wunderschönen Teppich völlig unmöbliert war. Ruhig wies Simons jeden einzelnen an, wohin er sich setzen solle. Er ließ sie im Kreis Platz nehmen, sparte genügend Raum für die Iraner aus und hieß Raschid, sich rechts daneben niederzulassen. Neben Raschid saß Taylor, dann Coburn, schließlich – genau gegenüber der Lükke – Simons selbst. Rechts von Simons saßen Paul und Bill, allerdings etwas hinter der Peripherie des Kreises, so daß sie weniger auffielen; zu Bills Rechter vervollständigte Gayden den Kreis.
Als Taylor sich setzte, bemerkte er, daß einer seiner Socken ein großes Loch am Zeh hatte, aus dem ein paar Hundertdollarnoten herauslugten. Er fluchte in sich hinein und schob das Geld hastig in die Strumpfferse.
Der junge Mann im Anzug kam herein. Er schien gebildet zu sein und sprach gut Englisch. »Sie werden gleich einen Mann kennenlernen, der nach fünfundzwanzigjähriger Haft soeben erst entkommen ist«, sagte er.
Hört, hört, hätte Bill beinahe gesagt, ich bin selber gerade erst entkommen – aber er konnte sich gerade noch rechtzeitig zurückhalten.
»Sie werden vor Gericht gestellt, und dieser Mann wird Ihr Richter sein«, fuhr der junge Iraner fort.
Die Worte »vor Gericht« trafen Paul wie ein Schlag in die Magengrube. Jetzt war alles umsonst, dachte er.Das ›Saubere Team‹ verbrachte den Mittwoch in Lou Goelz’ Haus in Teheran.
In den frühen Morgenstunden kam ein Anruf von Tom Walter aus Dallas. Die Verbindung war schlecht und die Verständigung entsprechend schwierig, aber immerhin konnte Joe Poché berichten, daß die Leute in Sicherheit waren, so schnell wie möglich in die Botschaft ziehen und das Land verlassen würden, sobald die Evakuierungsflüge endgültig organisiert waren. Außerdem erwähnte er, daß es Cathy Gallagher noch nicht besser ging und sie am Abend zuvor ins Krankenhaus gebracht worden war.
John Howell rief bei Abolhasan an, der ihm eine Nachricht von Dadgar übermittelte. Dadgar erklärte sich einverstanden, über eine Herabsetzung der Kautionssumme zu verhandeln. Sollte EDS Paul und Bill finden, müßten die beiden den Behörden übergeben und die niedrigere Kaution entrichtet werden. Die Amerikaner sollten endlich einsehen, daß es ein hoffnungsloses Unterfangen wäre, die beiden auf legalem Wege außer Landes zu bringen, und höchst gefährlich, es auf andere Weise zu versuchen.
Howell interpretierte die Mitteilung so, daß Paul und Bill keine Erlaubnis bekommen würden, das Land mit einem der von der Botschaft organisierten Evakuierungsflüge zu verlassen. Er fragte sich wieder einmal, ob das ›Saubere Team‹ im Endeffekt nicht doch gefährdeter war als das ›Dreckige‹. Bob Young teilte seine Befürchtungen. Während sie noch darüber sprachen, hörten sie Schüsse fallen. Sie schienen aus der Richtung der amerikanischen Botschaft zu kommen.
*
Die Nationale Stimme des Iran, eine Radiostation, die von Baku aus gleich hinter der sowjetischen Grenze sendete, verbreitete seit Tagen »Nachrichten« über geheimeamerikanische Pläne zur Anzettelung einer Konterrevolution. Am Mittwoch verkündete die Nationale Stimme, die Akten des SAVAK, der verhaßten Geheimpolizei des Schahs, seien in die US-Botschaft gebracht worden. Die Geschichte war wahrscheinlich erfunden, klang jedoch plausibel: Der CIA hatte den SAVAK gegründet und pflegte enge Kontakte zu ihm, und es war kein Geheimnis, daß es in amerikanischen Botschaften – wie in jeder Botschaft der Welt – nur so von Spionen wimmelte, die dürftig als diplomatische Attachés getarnt waren. Auf jeden Fall glaubten ein paar Revolutionäre in Teheran die Geschichte und beschlossen, ohne einen der Berater
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