Auf den Schwingen des Adlers
des Ayatollah zu konsultieren, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Im Laufe des Vormittags besetzten sie die hohen Gebäude rings um das Botschaftsgelände und verschanzten sich hinter ihren Maschinengewehren. Um halb elf eröffneten sie das Feuer.
Botschafter William Sullivan befand sich im Vorzimmer seines Büros und telefonierte vom Schreibtisch seiner Sekretärin aus. Er sprach mit dem stellvertretenden Außenminister des Ayatollah. Präsident Carter hatte sich entschlossen, die neue Revolutionsregierung im Iran anzuerkennen, und Sullivan traf die nötigen Vorbereitungen für die Unterbreitung einer offiziellen Verlautbarung.
Als er den Hörer auflegte und sich umdrehte, erblickte er seinen Presseattaché Barry Rosen in Begleitung von zwei amerikanischen Journalisten. Sullivan war wütend, denn das Weiße Haus hatte ausdrücklich Anweisung gegeben, daß die Anerkennung der neuen Regierung in Washington und nicht in Teheran bekanntgegeben werden sollte. Sullivan nahm Rosen mit in sein Büro und las ihm die Leviten.
Rosen erzählte daraufhin, die beiden Journalisten seien gekommen, um die nötigen Vorbereitungen für die Überführung von Joe Alex Morris, dem Korrespondenten der Los Angeles Times, der bei den Kämpfen um DoschenToppeh ums Leben gekommen war, zu treffen. Nun kam sich Sullivan dumm vor und wies Rosen an, den Journalisten einzuschärfen, kein Wort von dem, was sie bei seinem Telefongespräch aufgeschnappt hatten, zu veröffentlichen.
Rosen verließ das Büro. Sullivans Telefon klingelte. Er nahm ab. Urplötzlich setzte Gewehrfeuer ein, und ein Kugelhagel zertrümmerte die Fenster. Sullivan warf sich zu Boden.
Er robbte quer durch den Raum ins angrenzende Büro, wo er Nase an Nase mit seinem Stellvertreter Charlie Naas zusammenstieß, der dort eine Besprechung über die Evakuierungsflüge abgehalten hatte. Sullivan hatte zwei Telefonnummern bekommen, mit denen er im Notfall Revolutionsführer erreichen konnte. Eine davon gab er Naas, die andere dem Militärattaché. Immer noch auf dem Boden liegend, angelten die beiden Männer zwei Telefonapparate von einem Schreibtisch und begannen zu wählen.
Sullivan zog sein Walkie-talkie hervor und bat die Marineinfanteristen-Einheit auf dem Botschaftsgelände um Berichterstattung.
Die Maschinengewehrsalven hatten einer Truppe von ungefähr fünfundsiebzig Revolutionären zur Deckung gedient, die inzwischen über die vordere Mauer gestiegen waren und sich der Botschafterresidenz näherten. Glücklicherweise befand sich der größte Teil des Personals bei Sullivan im Kanzleigebäude.
Sullivan befahl den Soldaten, sich im Hintergrund zu halten, keinen Gebrauch von ihren Gewehren zu machen und ihre Pistolen lediglich zur Selbstverteidigung zu benutzen.
Dann kroch er durch die Botschafterbüros auf den Flur.
Während die Angreifer innerhalb der nächsten Stunden die Botschaftsresidenz und das Kantinengebäude einnahmen, gelang es Sullivan, sämtliche Zivilisten in derKanzlei des Nachrichtenbunkers in der obersten Etage unterzubringen. Als er hörte, wie die Angreifer das Stahltor des Gebäudes durchbrachen, befahl er auch die Soldaten in den Bunker. Dort ließ er sie ihre Waffen in eine Ecke stapeln und gab die Order aus, jedermann solle sich so schnell wie möglich ergeben.
Schließlich ging auch Sullivan selbst in den Bunker und ließ außer dem Militärattaché nur noch einen Dolmetscher zurück.
Sobald die Angreifer den ersten Stock erreicht hatten, öffnete Sullivan die Tür und trat, die Hände über den Kopf erhoben, heraus.
Alle anderen – ungefähr hundert Leute – folgten ihm.
Sie wurden ins Wartezimmer der Botschafterbüros gedrängt und durchsucht. Ein wirrer Disput zwischen zwei Gruppen von Iranern entbrannte, und Sullivan begriff, daß die Leute des Ayatollah – wahrscheinlich als Antwort auf die Anrufe von Charlie Naas und seinem Militärattaché – eine Ersatztruppe geschickt hatten und daß die Befreier gleichzeitig mit den Angreifern im ersten Stock angekommen waren.
Plötzlich pfiff eine Kugel durchs Fenster.
Alle Amerikaner warfen sich zu Boden. Einer der Iraner schien zu glauben, der Schuß sei im Zimmer abgefeuert worden, und fuchtelte wild mit seiner AK-47 über die Gefangenen hinweg. Barry Rosen, der Presseattache, schrie auf Farsi: »Der Schuß kam von draußen! Der Schuß kam von draußen!« In diesem Moment bemerkte Sullivan, daß er neben den beiden Journalisten lag, die er in seinem Vorzimmer angetroffen hatte.
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