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Auf den Schwingen des Adlers

Auf den Schwingen des Adlers

Titel: Auf den Schwingen des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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aus dem Wagen und traktierten ihn mit Fausthieben.
    Das nächste Auto, auf das sie sich stürzten, war ein orangefarbenes Teheraner Taxi. Es fuhr vorbei, ohne anzuhalten, was nicht weiter verwunderlich war; die Soldaten schienen sich jedoch darüber zu ärgern, setzten ihm nach und gaben Gewehrschüsse auf ihn ab. Das Taxi samt seinen Verfolgern verschwand aus Bills Gesichtskreis.
    Schließlich gaben die Soldaten ihr grausames Spiel auf und kehrten auf ihre Posten innerhalb des ummauerten Hofes vor dem Ministerium zurück. Die seltsame Mischung aus Brutalität und kindischem Verhalten, von der dieser Zwischenfall geprägt war, schien Bill ein Symbol für die Situation im Iran. Das Land versank langsam, aber sicher im Chaos. Der Schah war nicht mehr Herr der Lage, und die Aufständischen waren entschlossen, ihn zu töten oder außer Landes zu jagen. Bill taten die Leute in den Autos leid; sie waren Opfer der Umstände, und es blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf bessere Zeiten zu hoffen. Wenn sich nicht einmal mehr die Iraner sicher fühlen können, dachte er, dann müssen Amerikaner noch in viel größerer Gefahr sein. Wir müssen unbedingt raus aus diesem Land.
    Außer Bill lungerten noch zwei Iraner auf dem Korridor herum, die ebenfalls das Spektakel auf der Eisenhower Avenue beobachtet hatten. Sie schienen darüber ebenso entsetzt zu sein wie er. Vormittag und Mittag waren längst vorüber. Bill bekam noch einmal Tee und ein Sandwich als Mittagessen. Zu gern hätte er gewußt, was hinter der verschlossenen Tür vor sich ging. Daß er warten mußte, erstaunte ihn nicht: Im Iran bedeutete »in einer Stunde« nicht viel mehr als »vielleicht später«. Doch der Tag verging, und er wurde immer nervöser. Steckte Paul da drin womöglich in Schwierigkeiten?
    Die beiden Iraner standen den ganzen Nachmittag untätig auf dem Flur herum. Es interessierte Bill nicht sonderlich, wer sie waren; nicht ein einziges Mal sprach er mit ihnen.
    Er wünschte, die Zeit würde rascher vergehen. Für morgen hatte er einen Flug gebucht. Emily und die Kinder waren in Washington, wo ihre und seine Eltern lebten. Er konnte es kaum erwarten, sie alle wiederzusehen.
    Er hätte den Iran schon vor Wochen verlassen sollen, damals, als es mit den Brandbomben anfing. Eins derOpfer, in deren Häuser Bomben geworfen wurden, war eine frühere Schulkameradin von ihm aus Washington. Sie war mit einem Diplomaten an der US-Botschaft verheiratet. Bill hatte mit ihnen über den Vorfall gesprochen. Glücklicherweise war niemand verletzt worden, aber es hatte sie in Angst und Schrecken versetzt. Ich hätte auf der Hut sein und schon damals abhauen sollen, dachte Bill.
    Endlich öffnete Abolhasan die Tür und rief: »Kommen Sie bitte herein, Bill!«
    Bill sah auf seine Uhr. Es war fünf. Er trat ein. »Kalt ist es«, sagte er, als er sich setzte.
    »Mir ist ganz schön warm geworden«, sagte Paul mit einem gequälten Lächeln. Bill sah ihm ins Gesicht: Paul schien sich nicht gerade wohl in seiner Haut zu fühlen.
    Dadgar trank ein Glas Tee und aß ein Sandwich, bevor er mit Bills Einvernahme begann. Bill beobachtete ihn und dachte: Vorsicht – dieser Bursche will uns reinlegen, damit er uns nicht aus dem Land lassen muß.
    Das Verhör begann.
    Bill beantwortete sämtliche Fragen nach Namen, Geburtsort und -datum, nach Schulen, die er besucht hatte, Abschlußzeugnissen und Berufserfahrungen. Dadgars Gesicht blieb ausdruckslos, während er seine Fragen stellte und die Antworten notierte. Wie ein Roboter, dachte Bill.
    Ihm wurde klar, warum die Befragung Pauls so lange gedauert hatte. Jede Frage mußte aus dem Farsi ins Englische übersetzt werden, jede Antwort aus dem Englischen ins Farsi. Mrs. Nurbasch dolmetschte, Abolhasan unterbrach sie mit Klarstellungen und Korrekturen.
    Dadgar fragte Bill darüber aus, inwieweit EDS den Vertragsverpflichtungen nachgekommen sei. Obwohl das Thema nicht nur kompliziert, sondern auch hochtechnisch und er sich ziemlich sicher war, daß Mrs. Nurbasch gar nicht richtig verstand, was er sagte, gab Bill detailliertund erschöpfend Auskunft. Aber es stand ohnehin nicht zu erwarten, daß jemand mit Hilfe von ein paar allgemeinen Fragen die Komplexität des gesamten Projekts erfaßte. Was soll der Blödsinn eigentlich? fragte er sich. Warum will dieser Dadgar unbedingt den ganzen Tag in diesem eiskalten Loch hocken und dämliche Fragen stellen? Es muß sich wohl um ein persisches Ritual handeln, schloß er. Dadgar mußte mit

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