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Auf den Schwingen des Adlers

Auf den Schwingen des Adlers

Titel: Auf den Schwingen des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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und errichteten Barrikaden. Teenager, halbe Kinder noch, bewarfen Autos mit Molotowcocktails – benzingefüllte Flaschen mit flammenden, aus Lumpen zusammengedrehten Lunten. Ihre Ziele schienen vom Zufall bestimmt. Womöglich sind wir die nächsten, dachte Bill. Er hörte Schüsse, doch in der Dunkelheit war nicht auszumachen, wer da auf wen feuerte. Der Fahrer gebärdete sich wie ein Wilder. Jede zweite Straße war durch Menschenmassen, Barrikaden oder brennende Autos blockiert, und jedesmal machte er, ohne auf die Ampeln zu achten, kehrt und raste in halsbrecherischem Tempo durch Nebenstraßen und -gäßchen, um die Hindernisse zu umgehen. Lebend kommen wir dort nicht an, dachte Bill und tastete nach dem Rosenkranz in seiner Tasche.
    Die Fahrt schien kein Ende zu nehmen – bis das Auto plötzlich in einen kreisförmigen Hof einfuhr und anhielt. Ohne ein Wort zu verlieren, stieg der bullige Fahrer aus und betrat das Haus.
    Das Justizministerium war ein riesiger Gebäudekomplex. In der Dunkelheit – die Straßenlampen waren alle abgeschaltet – konnte Bill einen etwa vier Stockwerkehohen Bau ausmachen. Fast eine Viertelstunde war vergangen, als der Fahrer zurückkam, sich wieder hinters Steuerrad klemmte und um den Block herumfuhr. Bill nahm an, daß er ihn und Paul bei der Aufnahme hatte registrieren lassen.
    Hinter dem Gebäude bugsierte der Fahrer den Wagen auf den Gehsteig und hielt neben einem stählernen Doppeltor, das in eine lange, hohe Backsteinmauer eingelassen war. Irgendwo zu ihrer Rechten, dort, wo die Mauer aufhörte, waren schemenhaft die Umrisse eines kleinen Parks oder Gartens zu erkennen. Der Fahrer stieg aus. In einer der Stahltüren ging ein Guckloch auf, und ein kurzer Wortwechsel auf Farsi folgte. Dann wurde das Tor geöffnet. Der Fahrer bedeutete Paul und Bill, aus dem Wagen auszusteigen.
    Sie traten durch das Tor.
    Bill sah sich um. Sie befanden sich in einem kleinen Hof. Er entdeckte zehn bis fünfzehn mit automatischen Waffen ausgerüstete Wachmänner, die über den ganzen Hof verteilt standen. Direkt vor ihm parkten Personen- und Lastkraftwagen auf einer sichelförmigen Auffahrt. Links von ihm schloß sich ein niedriger Flachbau an der Backsteinmauer an. Rechts befand sich eine weitere Stahltür.
    Dorthin wandte sich der Fahrer und klopfte. Ein weiterer Wortwechsel auf Farsi durch ein weiteres Guckloch. Dann ging die Tür auf, und Paul und Bill wurden gebeten, einzutreten.
    Nun standen sie in einem kleinen Empfangsraum, der mit Schreibtisch und wenigen Stühlen ausgestattet war. Bill sah sich wieder um – weder Anwälte noch Botschaftsvertreter waren hier, um ihn rauszuholen. Wir sind völlig auf uns allein gestellt, dachte er, und wer weiß, was noch auf uns zukommt.
    Hinter dem Schreibtisch stand ein Wachmann mit einem Kugelschreiber und einem Stapel Formulare. Erstellte eine Frage auf Farsi. Paul antwortete aufs Geratewohl: »Paul Chiapparone«, und buchstabierte seinen Namen.
    Es verging fast eine Stunde, bis die Formulare ausgefüllt waren. Ein englisch sprechender Häftling wurde herbeigeholt, um beim Übersetzen zu helfen. Paul und Bill gaben ihre Teheraner Adressen, ihre Telefonnummern und Geburtsdaten an und erstellten eine Liste ihrer Habseligkeiten. Ihr Geld wurde ihnen abgenommen, und jeder erhielt zweitausend Rial, ungefähr dreißig Dollar.
    Anschließend wurden sie in einen Nebenraum gebracht, wo sie sich entkleiden mußten. Sie zogen sich bis auf die Unterhosen aus. Es folgte eine Durchsuchung ihrer Kleider sowie eine Leibesvisitation. Paul durfte sich wieder anziehen, Bill jedoch nicht. Es war eiskalt – auch hier war die Heizung abgestellt. Offensichtlich waren sie die einzigen Amerikaner in diesem Gefängnis. Alles, was Bill je über Gefängnisaufenthalte gelesen und gehört hatte, war grauenhaft. Was würden die Wachen mit ihm und Paul anstellen? Wie würden sich ihre Mitgefangenen verhalten?
    »Kann ich meinen Mantel anziehen?« fragte er den Wachmann.
    Der verstand ihn nicht.
    »Mantel«, sagte Bill und zog pantomimisch einen Mantel an. Der Wachmann reichte ihm seinen Mantel.
    Ein paar Minuten später kam ein anderer Posten und sagte, er könne sich auch seine Kleider wieder anziehen.
    Sie wurden in den Empfangsraum zurückgeführt. Wieder sah sich Bill erwartungsvoll nach Rechtsanwälten und Freunden um. Wieder erlebte er eine Enttäuschung.
    Man führte sie zu einer Tür am anderen Ende des Empfangsraums. Sie stiegen zwei Treppen hinunter und gelangten ins

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