Auf den Schwingen des Adlers
Schneesturm fegte über Dallas – zu einem etwa zwei Kilometer entfernten Fischrestaurant zu fahren.
Er fragte sich, wieviel Einfluß Kissinger wohl noch hatte, im Iran und anderswo. Vielleicht war es Zahedi und den Kontaktleuten von Kissinger ebenso ergangen wie den Freunden von Richard Helms – beiseite geschoben und machtlos. Ein Damoklesschwert schien über dem Schah zu hängen. Andererseits brauchte dessen Clique vielleicht bald Freunde in Amerika und wäre nur allzugern bereit, Kissinger einen Gefallen zu erweisen.
Oberst Simons fiel ihm wieder ein. Von allen Befreiungsplänen für Paul und Bill erforderte ein Ausbruch aus dem Gefängnis die umfangreichsten Vorbereitungen. Simons würde ein paar Männer brauchen, Zeit, sie zu trainieren, Ausrüstung ... und Perot hatte noch keinen Finger gerührt. Der Plan war ihm so unwahrscheinlich vorgekommen, als letzter Ausweg. Solange die Verhandlungen noch erfolgversprechend schienen, hatte er ihn einfach verdrängt. Auch jetzt war er noch nicht bereit, Simons anzurufen; er würde abwarten, bis Kissinger es noch einmal bei Zahedi versucht hatte. Aber vielleicht ließe sich doch das eine oder andere für Simons’ Einsatz in die Wege leiten.
Als er vom Essen zurückkam, suchte er Pat Sculley auf, einen West-Point-Absolventen, einunddreißig Jahre alt, dünn, jungenhaft, rastlos. In Teheran war er Projektleiter gewesen und bei der Evakuierung am achten Dezember mit ausgeflogen worden. Nach Aschura war er zurückgekehrt und nach Pauls und Bills Verhaftung erneut evakuiert worden. Im Augenblick kümmerte er sich darum, daß für die verbleibenden EDS-Mitarbeiter inTeheran – Lloyd Briggs, Rich Gallagher und Frau, Paul und Bill – täglich ein Auslandsflug gebucht war.
Bei Sculley befand sich auch Jay Coburn, der am zweiundzwanzigsten Dezember nach Hause geflogen war, um Weihnachten bei seiner Familie zu verbringen. Coburn war auf dem Sprung zurück nach Teheran, als die Nachricht von der Verhaftung eintraf, war dann aber in Dallas geblieben und hatte von dort aus die zweite Evakuierung in die Wege geleitet.
Perot mochte beide Männer und vertraute ihnen. Er verglich sie mit Adlern: Sie flogen hoch, ergriffen die Initiative, erledigten ihre Aufgaben, präsentierten ihm Resultate und keine Ausflüchte. Das Motto der EDS-Personalabteilung lautete: »Adler kommen nicht in Scharen – man muß schon jeden einzeln suchen.«
»Glaubst du, daß wir wirklich alles Menschenmögliche für Paul und Bill getan haben?« fragte Perot.
Und Sculley antwortete, ohne zu zögern: »Nein, das glaube ich nicht.«
Perot nickte. Diese jungen Männer hatten niemals Angst, ihrem Boß die Wahrheit zu sagen, und das war eine der Eigenschaften, die sie zu Adlern machte. »Und was sollten wir deiner Meinung nach tun?«
»Wir müssen sie selber befreien«, erwiderte Sculley. »Ich weiß, das klingt komisch, aber ich bin der Meinung, daß sie womöglich umgebracht werden, wenn wir sie da nicht rausholen.«
Perot fand das gar nicht komisch: Genau diese Befürchtung plagte ihn schon seit drei Tagen. »Das glaube ich auch.«
Er bemerkte die Überraschung auf Sculleys Gesicht. »Stellt mir eine Liste von EDS-Leuten zusammen, die dafür in Frage kommen. Wir brauchen Männer, die sich in Teheran auskennen und Armee-Erfahrung, am besten eine Sonderausbildung, haben, Männer, die hundertprozentig vertrauenswürdig und loyal sind.«
»Wir machen uns sofort an die Arbeit«, sagte Sculley begeistert.
Das Telefon klingelte, und Coburn nahm ab. »Hallo, Keane! Wo bist du? ... Bleib mal dran.«
Coburn hielt die Sprechmuschel mit einer Hand zu und sah Perot an. »Keane Taylor ist in Frankfurt. Wenn wir wirklich eine Befreiung organisieren wollen, sollte er mit von der Partie sein.«
Perot nickte. Taylor, ein ehemaliger Marinehauptmann, war ebenfalls ein Adler. Fast einsneunzig groß und immer elegant gekleidet, dabei aber äußerst leicht reizbar, war er die ideale Zielscheibe für alle möglichen Streiche. »Sag ihm, er soll nach Teheran zurückfliegen«, sagte Perot. »Aber sag ihm nicht, warum.«
Auf Coburns jungem und doch schon so alt wirkendem Gesicht breitete sich langsam ein Lächeln aus. »Da wird er nicht gerade begeistert sein.«
Sculley beugte sich über den Schreibtisch und schaltete den Lautsprecher ein, so daß sie alle etwas von Taylors Ausbruch hatten.
»Keane, Ross möchte, daß du nach Teheran zurückgehst«, sagte Coburn.
»Wozu denn das, verdammt noch mal?« wollte Taylor
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