Auf den Schwingen des Adlers
wußte die Antworten einfach selber nicht. Seine vagen Erklärungen waren typisch iranisch: Frag einen Perser, was er zum Frühstück gegessen hat, und zehn Sekunden später wird er dir weitschweifig seine Lebensphilosophie erläutern.
Um sechs Uhr kehrten sie zum Abendessen in ihre Zellen zurück. Es war ziemlich schrecklich – die Überreste vom Mittagessen waren lediglich zu einem Brotaufstrich zusammengemanscht worden. Dazu gab es wieder Tee.
Nach dem Essen sahen sie fern und Neghabat übersetzte die Nachrichten. Der Schah hatte einen der Oppositionsführer, Schahpur Bakhtiar, mit der Bildung einer Zivilregierung beauftragt, die die Generäle, welche die Geschicke des Landes seit November lenkten, ablösen sollte. Neghabat erläuterte, daß Schahpur das Oberhaupt des Bakhtiar-Stammes sei und sich stets geweigert habe, irgend etwas mit dem Schahregime zu tun zu haben. Trotzdem hing es vom Ayatollah Khomeini ab, ob Bakhtiars Regierung den Unruhen würde ein Ende setzen können. Außerdem dementierte der Schah Gerüchte, daß er außer Landes gehen wolle.
Bill fand das ermutigend. Mit Bakhtiar als Premierminister würde der Schah an der Macht bleiben und Stabilität garantieren können, während die Rebellen endlich ein Mitspracherecht bei der Regierung ihres eigenen Landes bekämen.
Um zehn Uhr ging der Fernsehapparat aus, und die Gefangenen kehrten in ihre Zellen zurück. Ihre Mitgefangenen verhängten ihre Kojen mit Handtüchern und Kleidungsstücken, um sie vom Licht der Glühbirne, diehier, wie schon im Keller, die ganze Nacht über brannte, abzuschirmen. Neghabat meinte, Paul und Bill sollten ihre Besucher bitten, ihnen Bett- und Handtücher mitzubringen.
Bill wickelte sich in die dünne graue Wolldecke und legte sich hin. Er wollte versuchen zu schlafen. Wir werden höchstwahrscheinlich noch eine Weile bleiben müssen, dachte er resigniert. Wir müssen halt das Beste daraus machen. Unser Schicksal liegt in den Händen anderer.
*
Ihr Schicksal lag in den Händen von Ross Perot, dessen Hoffnungen in den nächsten Tagen auf den Nullpunkt sanken.
Zunächst hatte alles ganz gut ausgesehen. Am Freitag, dem neunundzwanzigsten Dezember, hatte Kissinger zurückgerufen und berichtet, Ardeschir Zahedi werde Pauls und Bills Freilassung veranlassen. Voraussetzung dafür wäre jedoch, daß sich Vertreter der amerikanischen Botschaft sowohl mit Angehörigen des Justizministeriums als auch mit Repräsentanten des Hofes träfen.
In Teheran beraumte der Bevollmächtigte des amerikanischen Botschafters, Botschaftsrat Charles Naas, persönlich diese Begegnungen an.
In Washington besprach sich Henry Precht im Außenministerium ebenfalls mit Ardeschir Zahedi. Tim Reardon, der Schwager Emily Gaylords, hatte sich an Senator Kennedy gewandt. Admiral Moorer bemühte seine Kontakte zur iranischen Militärregierung. Nur Richard Helms war ein Schlag ins Wasser gewesen: Der ehemalige US-Botschafter in Teheran erklärte rundheraus, seine alten Freunde verfügten über keinerlei Einfluß mehr.
EDS konsultierte nacheinander drei Rechtsanwälte im Iran. Einer von ihnen war Amerikaner und auf die Vertretung von US-Konzernen in Teheran spezialisiert; dieanderen beiden waren Iraner, einer mit guten Beziehungen zu schahfreundlichen Kreisen, der andere eher den Dissidenten nahestehend. Alle drei stimmten darin überein, daß es bei der Festnahme von Paul und Bill nicht mit rechten Dingen zugegangen und daß die Kautionssumme astronomisch hoch sei. John Westburg, der Amerikaner, gab an, die höchste Kaution, von der er jemals im Iran gehört hatte, habe hunderttausend Dollar betragen. Dies wiederum deute darauf hin, daß sich der Richter, der für Pauls und Bills Verhaftung verantwortlich war, auf unsicherem Boden befand.
In Dallas tüftelte Finanzchef Tom Walter an der Frage herum, wie EDS, falls nötig, die geforderten 12 750 000 Dollar überweisen konnte. Die Rechtsanwälte hatten ihm mitgeteilt, es kämen drei verschiedene Möglichkeiten in Frage: Barzahlung, ein Akkreditiv zugunsten einer iranischen Bank oder ein Pfandrecht auf Eigentum im Iran. Weder verfügte EDS über ausreichenden Besitz in Teheran – die Computer gehörten dem Ministerium –, noch war es angesichts der Bankstreiks und der Unruhen im ganzen Land möglich, dreizehn Millionen Dollar bar anzuweisen. Walter bemühte sich also um ein Akkreditiv.
T. J. Marquez, der die Firma gegenüber ihren Aktionären vertrat, gab Perot zu bedenken, daß es einer
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