Auf den Schwingen des Adlers
halbfertigen Wolkenkratzer, das gleich hinter dem Parkplatz begann, würde er Zuflucht suchen können.
Er ging ins Hotel zurück. Im Aufzug beschloß er, während seines gesamten Teheran-Aufenthaltes legere Kleidung zu tragen. Er hatte Khakihosen und ein paar karierte Flanellhemden sowie eine Jogging-Ausrüstung mitgebracht. Aber mit seinem blassen, glattrasierten Gesicht, seinen blauen Augen und der ultrakurzen Bürstenfrisur würde er immer wie ein Amerikaner aussehen. Immerhin konnte er dafür Sorge tragen, daß er, sollte er gezwungen sein zu fliehen, nicht wie ein bedeutender Amerikaner aussah – und schon gar nicht wie ein Multimillionär und der Eigentümer der Electronic Data Systems Corporation.
Er suchte Keane Taylor in seinem Zimmer auf, um sich über den neuesten Stand der Dinge informieren zulassen. Er wollte hier in Teheran mit Botschafter Sullivan sprechen, die Generäle Huyser und Ghast im Hauptquartier der US-Militärkommission aufsuchen und Taylor und John Howell auf Dadgar hetzen. Er wollte endlich Bewegung in die Sache bringen, endlich etwas tun, endlich das Problem lösen. Er wollte Paul und Bill aus dem Gefängnis herausholen, und zwar schnell.
6
J OHN HOWELL WAR, wie seine Mutter oft erzählte, in der neunten Minute der neunten Stunde des neunten Tages im neunten Monat des Jahres 1946 auf die Welt gekommen.
Er war ein kleiner, schlanker Mann mit hüpfendem Gang. Sein dünnes, hellbraunes Haar lichtete sich bereits, er schielte leicht und seine Stimme war ein wenig heiser, als ob er ständig erkältet wäre. Er sprach bedächtig und zwinkerte dabei häufig mit den Augen. Mit seinen zweiunddreißig Jahren war er bereits Teilhaber in Tom Luces Kanzlei in Dallas. Seine unermüdliche Ausdauer war seine größte Stärke als Rechtsanwalt. »John gewinnt seine Fälle, indem er die gegnerische Partei an die Wand arbeitet«, pflegte Luce zu sagen.
Howell war wie Perot in Texarcana geboren, und wie Perot war er klein von Statur, aber voller Courage. An diesem Mittag des vierzehnten Januar jedoch hatte er einfach Angst. Heute sollte er zu Dadgar gehen.
Unmittelbar nach seiner Ankunft hatte er sich mit Ahmad Houman getroffen, dem neuen EDS-Anwalt in Teheran. Dr. Houman hatte ihm geraten, Dadgar nicht aufzusuchen, zumindest jetzt noch nicht. Es war durchaus möglich, daß Dadgar beabsichtigte, jeden EDS-Mitar-beiter einzusperren, dessen er habhaft werden konnte, und dabei nicht einmal vor einem Anwalt haltmachte.
Houman hatte Howell beeindruckt. Der große, wohlbeleibte Sechziger, der, an iranischen Verhältnissen gemessen, stets vorzüglich gekleidet war, war ehemals Vorsitzender der iranischen Anwaltskammer gewesen. Sein Englisch war zwar nicht besonders gut – seine erste Fremdsprache war Französisch –, dennoch wirkte er zuversichtlich und gut informiert.
Sein Rat entsprach genau Howells Gefühlen. Er war der Ansicht, daß man sich nur gründlichst vorbereitet in die Höhle des Löwen begeben sollte. Sein Credo war die alte Verteidigerweisheit: Stell nur dann eine Frage, wenn du die Antwort darauf bereits kennst.
Houmans Empfehlung erhielt noch Bestätigung durch Bunny Fleischaker. Bunny hatte Jay Coburn bereits im Dezember gewarnt, daß Paul und Bill verhaftet werden sollten, doch damals hatte ihr niemand geglaubt. Die Ereignisse hatten ihr rechtgegeben, und als sie Anfang Januar eines Abends um elf Uhr bei Rich Gallagher zu Hause anrief, nahm man sie sofort ernst.
Die Unterhaltung hatte Gallagher an die Telefongespräche in dem Watergate-Film All The President’s Men erinnert, in dem aufgeregte Informanten in improvisierten Codes auf Zeitungsreporter einredeten. Bunny begann so: »Wissen Sie, wer dran ist?«
»Ich glaube schon«, sagte Gallagher.
»Sie haben schon von mir gehört.«
»Ja.«
Sie berichtete, daß die Telefone bei EDS angezapft und die Gespräche mitgeschnitten wurden. Außerdem war damit zu rechnen, daß Dadgar weitere EDS-Führungskräfte verhaften lassen würde. Sie empfahl, entweder das Land zu verlassen oder in ein Hotel zu ziehen, in dem es von Zeitungsleuten nur so wimmelte. Lloyd Briggs, der als Pauls Stellvertreter vermutlich ganz oben auf Dadgars Listestand, hatte das Land inzwischen verlassen. Die anderen, Gallagher und Keane Taylor, waren ins Hyatt gezogen.
Dadgar hatte keine weiteren EDS-Leute verhaften lassen – bisher jedenfalls nicht.
Aber Howell brauchte keine weitere Bestätigung. Er würde Dadgar aus dem Weg gehen, bis er die Spielregeln
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