Auf Den Schwingen Des Boesen
Will. Sie nannten ihn immer meinen Will. Ich schaute zum anderen Ende des Raums, wo er sich mit Kate unterhielt. Er wirkte tatsächlich interessiert an dem Gespräch. Wegen der lauten Musik und dem Geschwätz der anderen konnte ich nicht hören, was sie sagten, aber offensichtlich fühlte er sich wohl dabei, mit ihr zu reden. Seit der Nacht am State College hatten sie kaum zwei Worte miteinander gewechselt, doch jetzt schienen sie sich ganz gut zu verstehen. »Etwas besser«, sagte ich. »Es war sehr schwer für ihn. Nathaniel zu verlieren und so weiter.«
»Und so weiter …?« Er zog neugierig die Brauen hoch.
»Wie viel weißt du über das, was in der Nacht passiert ist?«, fragte ich. »Weißt du von Bastian?«
Marcus zuckte die Achseln. »Will hat mir erzählt, Cadan hätte Bastian kaltgemacht, das war alles. Ehrlich gesagt bin ich etwas überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass er so stark ist.«
»Sonst hat Will dir nichts gesagt?«, fragte ich und biss mir auf die Lippe.
»Nein. Wieso?«
Ich schluckte. »Bastian hat behauptet, Will wäre sein Sohn.«
Marcus blinzelte überrascht. »Das kann nicht stimmen.«
»Na ja, ich glaube nicht, dass er gelogen hat, und Will auch nicht. Aber wir werden nie Gewissheit haben. Er hat auch gesagt, dass Wills Mutter, Madeleine, noch am Leben wäre.«
Marcus atmete aus. »Heftig.«
»Das ist noch nicht alles«, sagte ich zögernd. »Cadan ist auch Bastians Sohn.«
Er starrte mich ungläubig an. »Sie sind Brüder ?«
»Halbbrüder«, korrigierte ich ihn. »Madeleine war – ist – engelhaft. Cadans Mutter muss dämonisch gewesen sein. Ich habe noch kein Engelsfeuer gegen ihn eingesetzt, aber ich habe gesehen, wie die Sonne ihn einmal ziemlich verbrannt hat. Ich bin sicher, dass Cadan dämonisch ist, so wie Bastian.«
»Weiß Will es?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe Angst, es ihm zu sagen. Ich glaube, er wäre ziemlich entsetzt. Er hasst Cadan.«
»Irgendwann muss er es erfahren«, sagte Marcus. »Aber fürs Erste hast du Recht. Er hat schon genug durchgemacht und braucht nicht noch mehr Probleme.«
Ich nickte. »Wo ist Ava heute Abend?«
Er warf mir einen argwöhnischen Blick zu. »Unterwegs. Das hier ist nicht ihre Szene.«
Ich schnaubte verächtlich. »Ich glaube, ich bin nicht ihre Szene.«
Er nickte und presste nachdenklich die Lippen zusammen. »Sie hat mir nicht gesagt, dass du Bescheid wusstest.«
»Über die Sache zwischen ihr und Will?«, fragte ich etwas grimmiger als beabsichtigt. »Ja, ja.«
Er verließ seinen Platz an der Wand und stellte sich so vor mich hin, dass er mir die Sicht auf Will versperrte. »Wenn dir an einer zweiten Meinung gelegen ist, würde ich dir raten, die Sache nicht allzu ernst zu nehmen. Er fühlte sich ziemlich mies, nachdem es passiert war, und hat mit niemandem darüber geredet. Nicht mal mit Nathaniel. Ich weiß es nur, weil Ava es mir erzählt hat.«
»Was ist mit dir und Ava, wart ihr jemals …?«
Er lachte. »Nein, sie ist mir viel zu ernst. Sie ist eine ausgemachte Spaßbremse, und ich hab gern jede Menge Spaß. Ich bin für alles offen.«
Ich verdrehte die Augen. »Dann ist Kate genau dein Typ.«
Er grinste breit. »Sie ist perfekt. Übrigens bin ich immer treu, wenn ich eine Freundin habe. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen.«
»Das will ich dir auch geraten haben.«
»Darf ich dich was fragen, Ellie-Schätzchen?«
»Natürlich, aber dein Schätzchen bin ich nicht.«
»Wie ist es im Himmel?«
»Wieso?«, fragte ich nach kurzem Zögern. »Das ist eine merkwürdige Frage.«
Er zuckte die Schultern. »Letztens wurde mir plötzlich klar, dass ich nicht unbesiegbar bin. Ich bin unsterblich, aber es besteht ein durchaus realistisches Risiko, dass ich im Kampf sterbe. Jeder von uns könnte sterben. Nathaniel ist gestorben. Da Reaper kein Leben nach dem Tod haben, werde ich nie erfahren, wie es im Himmel aussieht. Du bist der einzige Engel, mit dem ich ganz gut klarkomme, also hab ich mir gedacht, ich frag dich einfach mal.«
Ich blinzelte. »Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich nicht an den Himmel. Hab ich noch nie.«
»Das ist aber schade. Dann werde ich es wohl nie erfahren.«
»Marcus«, sagte ich leise. »Woher hast du die Narben?«
Er zog den Halsausschnitt seines T-Shirts ein Stück herunter. »Dämonenfeuer, vom Schwert eines Gefallenen.«
»Von welchem?«
»Belial«, erwiderte er. »Vor langer Zeit wurde er von Menschen herbeigerufen, die unerlaubterweise mit Engelsmagie
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