Auf den Wogen des Glücks
dafür?«
»Genau, aber ich kann sie nirgends in meinen Büchern finden.«
»Weil sie nicht existiert.«
»Aber es muss doch eine Berechnungsformel geben! Irgendjemand muss doch die Zusammenhänge erkannt haben. Ich erkenne einen Bezug zum Ballast und den Segeln, kann aber keine Berechnung aufstellen. Dazu fehlt mir die richtige Formel. Und wie du weißt, kann ich mir beim besten Willen nicht noch einmal die kleinste Fehlberechnung erlauben. Ich brauche unbedingt die richtige Fachliteratur.«
Dominique beugte sich zu den Büchern hinunter, die auf dem Boden verstreut lagen und begann die Seiten des zuoberst liegenden Buches durchzublättern. »Draußen tummelt sich alles, was laufen kann, nicht wahr?«
»Eine größere Menge, als ich sie seinerzeit nach dem Rennen des New York Yacht Club gesehen habe, aber du hast dich ja schon nach hier unten verzogen, bevor wir überhaupt angelegt haben.«
Dominique richtete sich wieder auf und unterdrückte ein Gähnen. »Du kannst ja schon mal vorgehen.«
»Warum? Ich bin weder der Kapitän noch der Konstrukteur des Schiffes, und genau den wollen sie sehen. Es scheint, als habe die Fleetwing die letzten fünf Jahre hintereinander den mit hundert Pfund dotierten Cup gewonnen. Du hast also heute Morgen den Besten der Garde geschlagen, weshalb es längst an der Zeit ist, dass du deine dir rechtmäßig zustehenden Lorbeeren in Empfang nimmst.«
»Ach so? Du glaubst also wirklich, sie trauen einer Frau eine solche Leistung überhaupt zu?«
»Vielleicht.« Silas wusste, wann es angebracht war, auf ihren düsteren Blick hin zu erröten. »Auf der anderen Seite kann es natürlich sein, dass ich ihnen zu viel Toleranz zutraue.« Er hielt kurz inne. »Wenn du wirklich Verträge abschließen willst, musst du aber aus deinem Versteck hier unten herauskommen.«
»Hier ist es so sicher und friedlich, Silas. Dort draußen ...«
Sie blickte durch das Bullauge auf die ins Mondlicht getauchte Bucht und die funkelnden Lichter der Yachten, die eine nächtliche Spritztour machten. Trotz der plätschernden Wellen konnte sie die Musik des Orchesters, das drüben im Clubhaus des Yachtvereins spielte, hören. Gegen ihren Willen stiegen Erinnerungen in ihr hoch: Die Musik war dieselbe wie damals, als die Nacht den Liebenden einen perfekten Schutz für heimliche Rendezvous bot. Vor allem an Bord eines Schiffes, wenn alle anderen Passagiere nach reichlichem Alkoholgenuss bereits friedlich in ihren Kojen schlummerten. Dominique war damals dreizehn Jahre alt gewesen, und das, was sie im Schutze einer spanischen Wand hatte mit ansehen müssen, war Grund genug gewesen, dass sie auch die nächsten Nächte in den Tiefen des elterlichen Schiffes verbrachte. Dort lag sie dann in ihrer engen Koje, die Bettdecke bis zum Kinn hochgezogen und tat stundenlang nichts anderes, als die Decke anzustarren. An Schlaf war gar nicht zu denken, denn über ihr tanzte und lachte die Creme de la Creme der Gesellschaft.
»Nein!«, stieß sie energisch hervor und schüttelte die Erinnerungen ab. »Sobald die Sonne aufgeht, werde ich mich den Seglern präsentieren. Versprochen! Und dann werde ich mich auch um Verträge kümmern.«
Silas schnaubte. »Dominiqu e, du hast nichts von dem Show man, der in deinem Vater steckt.«
»Das wird auch so bleiben.«
»Dir reicht der nackte Sieg schon aus, nicht wahr?«
Dominique starrte Silas einen Moment lang an, ließ dann aber wieder ihren Blick auf ihre Entwürfe gleiten.
»Nach dem Fiasko im New Yorker Hafen ist dieser Sieg nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn wenn die Firma unter meiner Leitung zugrunde geht, wird mein Vater mich an den erstbesten britischen Zuckerplantagenerben auf Barbados verfüttern, sobald er wieder Fuß auf New Yorker Boden gesetzt hat.«
»Darf ich dich daran erinnern, dass du diejenige warst, die mit ihm die Wette eingegangen ist?«
»Ja, das stimmt wohl, aber es schien alles so ... so einfach zu sein. Und ab jetzt wird alles noch einfacher werden! Schon morgen kann ich mir nämlich aussuchen, mit wem ich einen Vertrag abschließen möchte.« Dominique machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung Tür. »Viel Spaß auf dem Ball, Silas. Richte ihnen Grüße vom Kapitän aus.«
Mit einem dumpfen Geräusch fiel die Tür hinter Silas ins Schloss. Dominique lauschte seinen verhallenden Schritten über ihr und hörte, wie er mit lauter Stimme zu der Menge sprach, die sich am Kai eingefunden hatte, um sie zu empfangen. Nach wenigen Momenten
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