Auf den Wogen des Glücks
Angespannt kaute sie auf ihrer Unterlippe, während sie zu den Regalen hinüberblickte. Es war ja nicht so, als würde sie Hausfriedensbruch begehen, oder? Was würden die Gentlemen an den Wänden wohl mit ihr machen, wenn sie herausfänden, dass sie in ihrer Bibliothek herumspionierte?
Ein bestimmtes Buch erregte ihre Aufmerksamkeit. Sein reich verzierter, in Gold gefasster Buchrücken hob sich in dem überladenen Regal von denen der anderen Bücher deutlich ab. Dominique zwängte sich hinter den Sessel und stellte sich so gut es ging auf die Zehenspitzen. Sie streckte sich nach dem Buch, aber gerade, als sie mit den Fingern den unteren Rand des Einbandes zu fassen bekam, hörte sie draußen auf dem Flur Stimmen, gefolgt von Gelächter. Es klang nach jener Art weiblichen Gekichers, das für gewöhnlich eine größere Dummheit ankündigt. Der Lautstärke nach zu urteilen, stand jemand unmittelbar vor der Bibliothek.
Dominique starrte wie versteinert auf die Tür. Sie hörte eine polternde Männerstimme, gefolgt von erneutem Gekicher. Die Klinke bewegte sich nach unten, und die Tür öffnete sich einen Spalt. Dominique ging sofort hinter dem Sessel in die Knie.
Mit glühenden Wangen und rasendem Herzklopfen kauerte sie sich so flach wie möglich auf den Boden, als die Tür hinter den beiden Störenfrieden geräuschvoll ins Schloss fiel. Das Gespräch zwischen ihnen war verstummt, stattdessen atmeten sie so schnell und heftig, als wären sie den ganzen Weg vom Festsaal aus gerannt. Rascheln - ein Geräusch, das Dominique an ihre Mutter erinnerte, wenn sie sich aus ihren Abendkleidern aus steifem Taft und den weit geschnittenen Unterröcken schälte.
Aber in erster Linie wurden Erinnerungen an jene verhängnisvolle Nacht wach, als sie hinter der spanischen Wand gekauert und gelauscht hatte. Damals hatte sie mit ansehen müssen, wie eine Italienerin sich ihres Abendkleides und ihrer Unterröcke für einen Mann entledigt hatte, der nicht ihr Gatte war.
»Sie denken doch nicht, dass ...«, keuchte die Frau in der Bibliothek.
»Nein.« Die Stimme des Mannes war tief. Ein weicher Bariton, ähnlich der Stimme eines geheimnisvollen und attraktiven Sängers aus Sizilien, der pechschwarze Haare und tiefblaue Augen gehabt hatte. Ihr Vater hatte ihn einst kennen gelernt, und im zarten Alter von dreizehn Jahren hatte Dominique sich auf den ersten Blick in ihn verliebt. »Hier wird uns bestimmt niemand finden, Marguerite«, besänftigte der Mann die Frau.
»Aber Edward kann unglaublich eifersüchtig werden ...« Ihre Worte verloren sich in einem atemlosen Seufzer.
»Das gefällt Ihnen wohl?« In seinem Ton schwang eine solche Boshaftigkeit mit, dass Dominique der Atem stockte.
»Und wie, denn Ihre Hände sind so geschickt, mein Lieber. Ich liebe es, wenn Sie mich dort berühren. Nur noch ein Knopf und ich bin frei.«
»Ich spreche von Ihrem Gatten. Sie machen ihn wohl gerne eifersüchtig!«
Dominiques Augen flogen weit auf.
»Ich habe keinen Gedanken mehr an Edward verschwendet, seitdem Sie den Ballsaal betreten haben«, kam das heisere Wispern der Frau. »Schon im selben Moment wollte ich Sie so sehr wie jetzt und hier - auch wenn ich die Ehefrau eines verdammten britischen Admirals bin. Die Gerüchte über Sie zeichnen übrigens ein ziemlich grässliches Bild von Ihnen.«
»Sprechen Sie ruhig weiter.« Trotz des sanften und schmeichelnden Untertons war seine Belustigung nicht zu überhören, doch seine Aufforderung glich einem knallharten Befehl. Dieser Mann wusste genau, was er tat.
Momente der Stille verstrichen. Dominique bemitleidete den armen Admiral Edward, der gerade irgendwo Champagner schlürfte und keinen blassen Schimmer davon hatte, was dieser Schuft mit seiner Frau anstellte.
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie den heutigen Morgen mit Lady Natwick verbracht haben«, raunte die Frau mit eigenartig flehender Stimme. Sie klang fast, als würde sie um etwas betteln. Da, ein reißendes Geräusch, das an Segelstoff erinnerte. Im darauffolgenden Moment rollte ein kleiner Gegenstand quer über den Holzboden und stieß an Dominiques Knie. Es war ein Perlmuttknopf.
»Das scheint Sie ja mächtig zu interessieren. Sie fragen sich bestimmt auch, was in Gottes Namen ich den ganzen langen Morgen über mit Lady Natwick auf meiner Yacht getrieben habe.«
Wieder ein R ascheln. Ihre Füße scharrten auf dem Boden, ganz so, als wären sie ineinander verheddert oder als würden sie unbeholfen miteinander tanzen. Etwas
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