Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
trat Jack Green vor. »Schnitt, verdammt noch mal«, brüllte er. Nach einer Sekunde des Schweigens brach die Crew in Applaus aus. Allen war klar, daß sie soeben Zeuge von etwas sehr Seltenem, Außergewöhnlichem geworden waren. »Wenn du mich fragst, ist die Szene gestorben«, rief Jack Alex zu. »Ich werde bestimmt nicht besser.«
    Ein paar Leute lachten, aber Alex schien Jack nicht einmal zu hören. Er löste sich vom Zaun und marschierte durch die hereinbrechende Dunkelheit, jeden beiseite stoßend, der ihm im Weg stand. Er marschierte direkt in meine Arme, und vor allen Leuten erklärte er mir, daß er mich liebe.
     
    Im Februar saßen Alex und ich im Apartment im Bett und schauten uns im Fernsehen an, wie der Präsident der Academy of Motion Picture Arts and Sciences und die im vergangenen Jahr zur besten Nebendarstellerin gekürte Schauspielerin die Nominierungen in den fünf wichtigsten Kategorien für die Preisverleihung 1993 verlasen. Es war kurz vor sechs Uhr morgens, weil man sich bei der Bekanntgabe nach der Ostküstenzeit richten mußte. Alex tat so, als würde ihn all das nicht besonders interessieren, aber seine Füße bewegten sich kalt und rastlos unter der Decke.
    Alex war als bester Schauspieler und bester Regisseur nominiert worden. Jack Green als bester Nebendarsteller. Die Geschichte seines Lebens war als bester Film nominiert; insgesamt hatte der Film elf Nominierungen in verschiedenen Kategorien eingeheimst.
    Alex strahlte von einem Ohr zum anderen und schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht glauben«, sagte er. »Ich kann es einfach nicht glauben.« Er rollte sich zu seinem Nachttisch herum und steckte das Telefon aus.
    »Was soll das?«
    »Herb wird anrufen, und Michaela, und weiß Gott, wer die Nummer hier sonst noch hat. Himmel, ich werde keine freie Minute mehr haben, bis ich nach Schottland fliege.« In ein paar Wochen sollten die Dreharbeiten zu Macbeth beginnen. Er rollte sich wieder zu mir herum. Seine Augen leuchteten. »Sag mir, daß ich nicht träume.«
    Ich legte ihm die Hand auf den Arm. »Warte«, sagte ich. »Ich kneife dich.«
    Alex lachte und drückte mich in die Matratze. »Ich weiß eine bessere Methode«, sagte er.
    Noch bevor wir gefrühstückt hatten, hatte man Alex für ein Interview mit Barbara Walters, das vor der Oscarverleihung gesendet werden sollte, eingeplant. John kam vorbei, um uns mitzuteilen, daß ein Haufen Fans und Reporter ihr Lager vor dem Tor der Villa in Bel-Air aufgeschlagen hätten. Und an jenem Nachmittag ging ich zum Gynäkologen, um mir bestätigen zu lassen, daß ich seit zwölf Wochen schwanger war. Der Arzt gratulierte mir und meinte, Alex werde wahrscheinlich kaum sagen können, welche Nachricht aufregender sei.
    Ich behielt die Neuigkeiten zwei Wochen lang für mich; ich hatte vor, ihn am Vorabend des Interviews einzuweihen, das Barbara Walters in unserem Wohnzimmer drehen wollte. Ich hatte ihm nicht gleich von unserem Baby erzählt, weil ich ihn gerade jetzt nicht ablenken wollte. Und es vergingen tatsächlich zwei Wochen, ehe die obligatorischen Interviews gegeben waren und sich der Rummel wieder gelegt hatte. Ich redete mir ein, daß ich das Baby nur deshalb nicht erwähnte; es hatte nichts damit zu tun, daß er morgen der ganzen Welt das freudige Ereignis verkünden und Barbara Walters damit den Coup ihres Lebens verschaffen konnte.
    Wir hatten es nicht darauf angelegt, aber offenbar gehöre ich zu jenen zwei Prozent der Frauen, bei denen die Pille versagen kann. Es kam mir gar nicht in den Sinn, daß Alex noch genauso über eigene Kinder denken könnte wie vor zwei Jahren. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte er den Geist seines Vaters in die Vergangenheit zurückgeschickt, dorthin, wo er hingehörte.
    In den zehn Monaten seit Abschluß der Dreharbeiten zu Die Geschichte seines Lebens hatte er nicht einmal die Beherrschung verloren. Ohne jeden Zwischenfall hatte er die Hauptrolle in einer romantischen Komödie gespielt. Und selbst während der vergangenen beiden Wochen, in denen sich um ihn herum immer mehr Spannung aufgebaut hatte, hatte er kein Bedürfnis gezeigt, mich zu schlagen. Seit dem letzten Mal war so viel Zeit vergangen, daß ich mich kaum entsinnen konnte, wie es je dazu gekommen war.
    Ich fürchtete mich davor, Alex zu erklären, daß wir ein Kind bekommen würden, deshalb wollte ich mich feige drücken und etwas anderes für mich sprechen lassen.
    Ich bat John, mich zum Rodeo Drive zu fahren, wo ich sonst nie

Weitere Kostenlose Bücher