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Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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einkaufte. Ich stieg ein paar Blocks vor meinem eigentlichen Ziel aus, setzte meine Sonnenbrille auf und ging in ein Geschäft namens Waddlepotamus, einem kleinen Laden voller Kindermobiles und Steiffteddys. Ich wählte einen Strampelanzug aus Baumwolltrikot, der so winzig war, daß ich mir nicht vorstellen konnte, wie irgendein menschliches Wesen hineinpassen sollte. Er war mit einem Dinosaurier bestickt, und ich stellte mir vor, wie ich Alex erzählen würde, daß ich eigentlich einen Strampler mit dem Bild eines Homo erectus gesucht, aber kein Glück gehabt hatte.
    Ich war so aufgeregt, als ich wieder zu Hause war, daß ich die Treppen förmlich hinaufflog. Ich riß die Tür zum Salon auf und stand direkt vor Alex. »Du bist spät dran«, sagte er knapp.
    Ich strahlte ihn an. »Du bist früh dran.« Ich versteckte die Schachtel hinter meinem Rücken und hoffte, daß er sie nicht bemerkt hatte.
    Ein Muskel zuckte in seiner Wange. »Du hast gesagt, du seist hier, wenn ich heimkomme. Du hast niemandem gesagt, daß du ausgehst.«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Ich habe es John gesagt. Ich hatte etwas zu erledigen.«
    Alex schlug mich so unvermittelt auf die Brust, daß es mich vollkommen unvorbereitet traf. Fassungslos schaute ich vom Boden zu ihm auf. Ich war auf den Rücken gefallen und hatte die Schachtel mitsamt all ihren schönen Schleifchen zerquetscht.
    Und dann tat ich etwas, was ich während der zwei Jahre, die das nun so ging, noch nie getan hatte: Ich weinte. Ich konnte nicht anders; ich hatte geglaubt, wir hätten einen neuen Anfang gemacht, und jetzt hatte Alex, der mich noch nie enttäuscht hatte, uns wieder zurückgeworfen.
    Als er nach mir zu treten begann, rollte ich mich von ihm weg; sein Schuh traf mich in den Rücken, in die Nieren, die Rippen. Schützend kreuzte ich die Arme vor dem Bauch; und als Alex wieder zu sich kam und neben mir niederkniete, schaute ich ihn nicht an. Ich streichelte dieses Leben, das ich wie ein glückbringendes Amulett in mir trug. Ich hörte seine geflüsterten Bitten, seine Entschuldigungen, und ich dachte: Hoffentlich haßt dich dieses Baby.
    Von Angesicht zu Angesicht war Barbara viel hübscher als im Fernsehen. Selbstbewußt wie ein General marschierte sie durch unser Haus und ließ Möbel und Blumen umstellen, um Platz für die Scheinwerfer und Kameras zu schaffen. Sie wollte Alex ungefähr eine Stunde lang interviewen, dann sollte ich dazukommen, damit sie mir ebenfalls ein paar Fragen stellen konnte. Bis dahin saß ich stocksteif neben dem Produzenten der Sendung und versuchte, die Schmerzen in meinem Rücken und meiner Seite zu ignorieren. Als die Kamera zu filmen begann, war sie auf Barbara Walters gerichtet, die ihren vorab verfaßten Abriß von Alex’ Karriere sprach, angefangen von Desperado bis zu der laufenden Produktion Macbeth. »Alex Rivers«, leitete sie dann nahtlos über, »hat bewiesen, daß er nicht nur ein hübsches Gesicht hat. Von seinem allerersten großen Auftritt an und in fast jedem Film seither hat er sich geweigert, den traditionellen romantischen Helden zu spielen. Statt dessen verkörperte er verängstigte, fehlerhafte Männer. Das unterscheidet ihn von anderen talentierten Schauspielern - genau wie sein noch nie dagewesener Erfolg bei den Oscarnominierungen. Alex Rivers’ erste Regierarbeit Die Geschichte seines Lebens wurde in fast jeder Kategorie nominiert. Ich unterhielt mich mit Alex in seinem Haus in Bel-Air.«
    Auf dieses Stichwort hin fuhr die Kamera zurück, bis auch Alex im Bild war. »Für viele Menschen sind Sie der Inbegriff eines Stars. Wodurch zeichnet sich ein Star Ihrer Meinung nach aus?«
    Alex lehnte sich im Sofa zurück. Gemächlich schlug er die Beine übereinander. »Durch Charme«, antwortete er. Er grinste. »Und dadurch, daß er einen Tisch in der Studiokantine bekommt.« Er bewegte sich kurz. »Aber mir ist es lieber, wenn man mich als Schauspieler bezeichnet«, ergänzte er bedächtig.
    »Kann man nicht beides zugleich sein?« hakte Barbara nach.
    Alex legte den Kopf zur Seite. »Natürlich«, sagte er. »Aber das eine ist eine echte Berufung, das andere dagegen nichts als Blendwerk und Rauch. Man hat es nicht leicht, als echter Künstler anerkannt zu werden, wenn man als >Star< abgestempelt wird. Ich war nie wild auf den ganzen Starrummel. Ich liebe einfach meine Arbeit.«
    »Aber im Gegensatz zu vielen anderen Schauspielern mußten Sie sich nicht zehn Jahre als Kellner durchschlagen, ehe Sie den Durchbruch

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