Auf den zweiten Blick
wäre ich höllisch eifersüchtig.«
Ich setzte ein Lächeln auf und drehte mich um, unsicher, was ich in Alex’ Augen sehen würde. Ich glaube, ich hatte vor dieser Szene mehr Angst als er selbst. Schließlich stand für mich genausoviel auf dem Spiel wie für ihn. Wenn sie gut wurde, würde sie aus diesem Film ein Meisterwerk machen. Aber sie würde auch mein Leben verändern.
Ich schlang ihm die Arme um den Hals und hauchte einen Kuß auf seinen Mund. »Bist du bereit?« fragte ich.
Alex blickte mich eindringlich an, und ich sah, wie sich all meine Ängste in seinen Augen spiegelten. »Und du?« fragte er leise.
Als der Regieassistent um Ruhe bat und das Tonband lief, hielt ich den Atem an. Alex und Jack standen mitten in dem Feld, das wir von einem Farmer gemietet hatten. Hinter ihnen standen ein paar Reihen frisch eingepflanzter Maisstauden, die viel höher waren, als es der Jahreszeit entsprach, aber auf diese Weise hatten die Bühnenbildner aus dem realen April die Illusion des September gezaubert. Der erste Regieassistent rief: »Action«, und ich beobachtete, wie sich eine Maske über Alex’ Gesicht legte, bevor er sich in jemand verwandelte, der mir nur vage vertraut war.
Der Wind peitschte über das hohe Gras, als habe er nur auf sein Stichwort gewartet. Jack drehte Alex den Rücken zu und stützte sich auf seine Schaufel. Ich sah, wie sich Alex’ Miene vor Wut verzerrte und wie er an seinen Worten würgte, bis er sie entweder aussprechen mußte oder daran ersticken würde. »Dreh dich um, verdammt noch mal«, schrie er und legte Jack eine Hand auf die Schulter.
Genau wie geprobt, drehte sich Jack ganz langsam zu Alex um. Ich beugte mich vor, wartete auf Alex’ nächsten Einsatz, aber der kam nicht. Alex wurde plötzlich blaß, dann flüsterte er: »Schnitt«, und ich wußte, daß er in Jack seinen eigenen Vater gesehen hatte.
Die Crew entspannte sich und fuhr alles auf die Ausgangspositionen zurück, während Alex mit den Schultern zuckte und sich bei Jack entschuldigte. Schritt um Schritt schlich ich mich näher an die Schauspieler heran, bis ich neben dem Kameramann stand.
Als der Film wieder lief, war die Sonne ein Stück tiefer gesunken und ließ sich vom Himmel in den Schlaf wiegen, bevor die Dunkelheit niedersank. Es war ein schönes Bild: das lebhafte Rot, das den Widerwillen auf Alex’ Gesicht noch untermalte, und Jack im Halbdunkel wie eine verblassende Erinnerung.
»Sag mir endlich, was ich tun soll«, brüllte Alex, dann versagte ihm plötzlich die Stimme, und er klang wie der Teenager, der in den bereits gefilmten Rückblenden von seinem Vater ausgescholten wird. Während der Proben hatte Alex die ganze Szene über geschrieen, in der Hoffnung, seinen Vater irgendwie zu provozieren. Jetzt aber sank seine Stimme zu einem Flüstern herab. »Jahrelang habe ich gedacht, je größer, desto besser. Immer wieder habe ich mir gesagt, daß du diesmal endlich Notiz von mir nehmen würdest.« Alex’ Stimme brach. »Schließlich habe ich es nicht einmal mehr für mich gemacht. Ich habe es für dich gemacht. Aber dir ist das total egal, nicht wahr, Pa? Was verlangst du eigentlich von mir?« Alex schluckte. »Und wer, zum Teufel, glaubst du eigentlich, daß du bist?«
Alex streckte die Hand aus und packte Jack – auch das war so nicht geprobt. Ich hielt den Atem an, sah Alex weinen, bemerkte, wie sich seine Finger in Jacks Schultern gruben. Man konnte sich nicht sicher sein, ob Alex Jack zu Boden werfen wollte oder ob er sich an ihm festklammerte.
Und Jack, den Alex’ Geste genauso überraschte, starrte ihm einfach ins Gesicht, schien ihn eine Sekunde lang herauszufordern. Dann entzog er sich Alex’ Griff. »Niemand«, sagte er, seine Antwort aus dem Drehbuch. Er drehte sich um und ging aus dem Bild.
Ich duckte mich, als der Ausleger mit der Kamera plötzlich nach links schwenkte, um Alex im Profil aufzunehmen. Er blickte über die weiten Maisfelder, und ich wußte, was er sah: ein schlammiges Bayou voller Schlingpflanzen, eine Ladung Langusten auf der Veranda eines verfallenen Lokals, das zerfurchte Antlitz seines Vaters - ein verlebtes Ebenbild seines eigenen Gesichts –, jenes Bild, gegen das er angekämpft hatte und in das er ironischerweise trotzdem hineingewachsen war.
Die Sonne glitt hinter den Zaun, der Alex jetzt zu stützen schien. Er schloß die Augen; er senkte den Kopf. Die Kameras surrten weiter, weil niemand die Geistesgegenwart besaß, sie auszuschalten.
Schließlich
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