Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
ich zu, wie der Barkeeper uns ungefragt einen neuen Drink mixte. Im Hintergrund sang noch immer die Blues-Sängerin von Liebe, Tod und Verderben, aber ich war so auf mein Gegenüber konzentriert, dass mein Gehirn das lediglich als Störgeräusch wahrnahm.
Mathias schüttelte den Kopf. »Nein. Aus rein praktischen Überlegungen. Der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass es nicht besonders klug ist, hier mit dir zu sitzen und dich von Sekunde zu Sekunde anziehender zu finden. Noch ein paar Minuten und ein halber Drink mehr und ich sage so Sachen wie Ich möchte wissen, wie dein Haar riecht. «
Glaub mir, das wäre noch harmlos gegenüber den Sachen, die ich vorhin im nüchternen Zustand über deine Augen sagen wollte.
Ich nahm meinen frischen Daiquiri entgegen und lächelte Mathias an.
Er lächelte zurück. Mein Gott, dieses Lächeln machte mich echt fertig. »Vielleicht sollten wir einander ganz schnell ein paar abschreckende Dinge erzählen«, schlug ich vor.
»Was hast du denn noch Abschreckenderes zu bieten als Ich bin verheiratet ?«
»Ich habe Syphilis?«
»Hast du?«
»Nein«, sagte ich bedauernd, und noch während ich in meinem Hirn verzweifelt nach weiteren Abschreckungsbeispielen kramte, stattdessen aber nur auf Gefahrenmeldungen von A wie Alkohol bis P wie Pandora stieß und auf das Bedürfnis, laut »Los, riech an meinem Haar!« zu schreien, schwang sich Marlene auf den freien Barhocker neben uns. Na ja, sie ließ sich eher plumpsen, denn sie war ähnlich angetrunken wie wir, angeblich nur von dem Champagner, den die Kellner auf Tabletts herumreichten. Als sie Mathias erkannte, wurden ihre Augen kreisrund. Aber welche Anspielungen ihr auch auf der Zunge liegen mochten, sie schluckte sie herunter. Stattdessen begann sie fröhlich, wenn auch leicht verschwommen mit uns zu plaudern, und dafür war ich ihr noch viel dankbarer, denn der Alkohol war jetzt in meinem Sprachzentrum angekommen, und so gesehen war es in Sachen Eloquenz (siehe oben) nicht das Schlechteste, vornehm zu schweigen, schon um den guten Gesamteindruck (die Geschichte mit DEM EICHHÖRNCHEN hatte ich wirklich witzig erzählt) nicht wieder zu zerstören.
Der nette Teil des Abends war ohnehin vorbei. Alkohol mag die Fähigkeit einschränken, klare Gedanken zu fassen, aber leider verhilft er manchmal trotzdem zu glasklaren Einsichten, wenn auch mehr auf der Gefühlsebene. Was das anging, befand ich mich im freien Fall.
»What a mess«, schluchzte die Sängerin ins Mikrofon, und sie hatte ja so recht.
Stirb langsam kehrte zu uns zurück, einen Arm um Felix gelegt, den anderen um Lillian (DIE EX), die wie immer großartig aussah und dieses spezielle, gönnerhafte Lächeln aufgesetzt hatte, das sie für mich reserviert hatte. Normalerweise verfügte auch ich über ein ganz spezielles Lillian-Lächeln, aber gerade jetzt war ich zu sehr damit beschäftigt, mich an die Theke zu klammern.
Lillian war Anästhesistin in Felix’ Krankenhaus, und als Felix und ich uns kennengelernt hatten, war sie, jedenfalls aus Lillians Sicht, noch seine Freundin gewesen. Während Felix der Ansicht war, dass sie sich in aller Freundschaft getrennt hatten, behauptete Lillian nämlich, sie hätten sich nur in einer von ihr verordneten »Beziehungspause« befunden. So weit, so bemitleidenswert. Aber weil Lillian seit fünf Jahren so tat, als wäre ich nur ein kleines unwichtiges Intermezzo für Felix, während er sehnsüchtig darauf wartete, dass sie die Beziehungspause endlich wieder beendete, hielt sich mein Mitleid für sie doch sehr in Grenzen.
»Matze, Matze, dich kann man aber wirklich nicht allein lassen«, rief Gereon aus. »Erst Kati und jetzt auch noch Marlene … Hallo ? Ich habe einen Ruf zu verlieren, weißt du?« Er lachte. »Jetzt ist mal Schluss mit Dick und Doof, ja?« Noch ein blödes Lachen.
Leider war ich aus oben und auch sonst schon mehrfach genannten Gründen nicht in der Lage, zu meinen üblichen Gegenbeleidigungen auszuholen. Ich befand mich immer noch im freien Fall.
»Darf ich vorstellen?«, fuhr Gereon fort. »Das ist Felix, der Kerl, der jeden Morgen neben Kati aufwachen muss, äh, darf. Und das hier ist Lillian, die übrigens auch mit und ohne Arztkittel wahnsinnig sexy aussieht, so wahr ich hier stehe! Und das, meine Freunde, ist Mathias, genannt Matze, mein bester Kumpel aus Schulzeiten.«
Die Sängerin untermalte das Ganze passend im Hintergrund. »I’m laughing just to keep from crying.« Ja. Ich auch. Haha.
»Freut mich
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