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Auf der Flucht

Auf der Flucht

Titel: Auf der Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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ausgewiesene »Manhattan«-Übersetzer einen Interviewtermin vereinbart hatte. Allen drehte außerhalb der City in Flushing Meadows in einer wunderschönen Neuengland-Atmosphäre seine Version des »Sommernachtstraums« von Shakespeare. Ich erinnere mich, wie er im kurzen Hemd neben meiner Frau stand, die wegen der Hitze eine kurzärmelige Bluse trug, und ich höre ihn mit seiner froschigen Stimme sagen, während er seinen Arm neben den ihren hielt: sie habe ja fast noch mehr Sommersprossen als er. Sie brachten sich, der gleichen Minderheit der Rothaarigen angehörig, sofort Sympathien beim Anblick ihrer »freckles« entgegen.
    Damals hat er uns schon gesagt, wie viel lieber er Filme wie Ingmar Bergman oder Dramen wie Tschechow schreiben würde und dass er es nicht lustig finde, lustig zu sein und als lustig zu gelten.
    In der Tat war der schüchterne zierliche Mann bei Gesprächen immer vom Ernst eines beflissenen Musterschülers, gescheit, bemüht und überhaupt nicht auf Pointen aus. Auf die Idee, ihm private Fragen zu stellen, kam man überhaupt nicht – selbst dann nicht, wenn einen seine Assistentin nicht in einem Vorgespräch ausdrücklich darauf hingewiesen hätte, dass Mr. Allen nur über seinen neuen Film und seine Arbeit zu reden wünsche.
    Waren seine Filme verschlüsselte Privatgeschichten, rutschte ihm in seinen Filmen auch Lubitschs zu großer Hut über die Ohren? Es war wie mit Händen zu greifen: sein jüdisches Elternhaus, seine dominante Mutter, seine gescheiterten Beziehungen, seine Freunde aus der Künstlerszene, seine Tätigkeit als Gag-Schreiber, seine Konfessionen auf der Psychiater-Couch.
    Später habe ich mit Woody Allen für Katharina Trebitsch einen Interview-Film gedreht, der damals unter dem Titel »Mr. Manhattan« der einzige weltweit verbreitete Woody-Allen-Film war – Jahre bevor Godard seinen Allen-Film drehte.

 
     
     
     
    Vor der Wiedervereinigung
    Daniel Doppler in »Zeit« und »Spiegel«
     
     
     
     
     
     
    Die edelste aller Nationen
    ist die Resignation
    Ncstroy

 
    Daniel Doppler
     
    Am 10. 11 . 85, es war ein Sonntag, fuhr ich mit meiner Frau in unserem VW Passat nach Osnabrück, durch scheußlichstes deutsches Novemberwetter, der Scheibenwischer war ständig bemüht, eine braungraue Schmiere von der Frontscheibe zu kratzen. Im Radio war die Boy-Group »Frankie goes to Hollywood« zu hören, eine britische Gruppe, die sich nach einem berühmten Frank-Sinatra-Foto benannt hatte und die in Brian de Palmas brillantem Film »Body Double« die Musik für das Höllenspektakel einer Hollywood-Walpurgisnacht geliefert hatte. Auf dem Pressefoto war der junge Sinatra zu sehen, wie er hager, am Ende seiner ersten Karriere, zur zweiten nach Hollywood aufbrach.
    Auch ich fuhr zu einer Premiere, der meines ersten Theaterstücks, wenn auch nicht nach Hollywood, so doch zumindest nach Osnabrück. Ich hatte für dieses Stück, die Komödie »Die Wachtel« wie für die folgenden, das Pseudonym Daniel Doppler erfunden – ein Pseudonym, das ich schon, während ich noch bei der »Stuttgarter Zeitung« war, für meine »Zeit«-Artikel benutzt hatte. Der Name Doppler war mir im Zusammenhang mit dem Physiker Doppler (Doppler-Effekt, eine nahende Sirene klingt höher als eine sich entfernende) und dem Vornamen meines Sohnes eingefallen. Dass man bei Pseudonymen zu Stabreimen neigt, Daniel Doppler, liegt sicher daran, dass man der unsicheren Erfindung eines anderen Namens einen Halt geben möchte, und sei es den der Alliteration, damit er nicht, da er ja keine Biographie und also kein Knochengerüst hat, schlaff in sich zusammenbricht. Ein Pseudonym hatte ich genommen, um den Theaterkritiker von dem Theaterautor zu unterscheiden. Vorher bei »Zeit«, »Stern« und »Spiegel«, um mir eine komische Maske aufzusetzen. Auch als Versteck, obwohl ich mir damals notierte: »Ein Pseudonym ist wie ein Versteck, wenn man nicht gefunden wird, muss man, ›Hallo, hier bin ich‹ rufen.«
    Im Übrigen hat es mein Pseudonym zu einem seltsam eigenständigen »Ruhm« gebracht. Es war ein Ruhm à la »Wie kommt Pontius Pilatus ins Credo«. Denn der wahrhaft geniale Theaterplakat-Künstler Holger Matthies hatte einen Narren an meiner »Wachtel« gefressen und für die Uraufführung ein Plakat entworfen: einen Federhalter, über den wie auf einen Spieß eine gegrillte Wachtel gezogen war. Matthies hatte mit seinen Theaterplakat-Collagen, unter anderem für Berlins Schillertheater und das Hamburger Thalia,

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