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Auf der Flucht

Auf der Flucht

Titel: Auf der Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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wie Dietls Frau und ich bedenklich mit dem Kopf wackelten – »also verstehen wird das auf Anhieb keiner«, und: »Ob das Zuschauer ins Kino lockt?«, aber da war seine Entscheidung schon gefallen. Und obwohl noch keine Szene auf dem Papier stand, blieb es beim Titel »Schtonk«. Und mit diesem Titel war der Film dann auch in Hollywood für den Oscar als bester ausländischer Film nominiert.
    Chaplin lieferte uns die artistische Vorlage, das stilistische Grundmuster. Und Lubitsch? »Sein oder Nichtsein« war der Film, der uns daran erinnerte, uns immer wieder bis zu der Stelle vorarbeiten zu müssen, wo es heißt: »Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht …«
    Ich wohnte oben in einem Zimmer, von dem mir Denise Dietl sagte, dass es normalerweise das Gastzimmer von Patrick Süskind sei, den sie während seiner Frankreich-Aufenthalte »bemutterte« oder besser »beschwesterte«; Helmut und mich hat Denise immer am Morgen mit einem charmant hingewinkten »Au revoir!« verlassen, und während sie ihm noch einen Kuss auf die Wange drückte, wirkte er schon so zerstreut, das heißt, auf die Arbeit konzentriert, dass er ihren Kuss nur noch wahrnahm, um sie zu bitten, ein paar Packungen Gauloises mitzubringen, seine nötige Grundration für das Schreiben.
    Es waren wunderbare, asketisch entbehrungsreiche Tage, in denen wir nur lebten, solange wir schrieben, um den Rest der Zeit entweder erschöpft vor dem Fernseher zu sitzen oder zerstreut in einem Restaurant im Essen herumzustochern, das eigentlich viel zu aufwändig war für unsere Zerstreutheit, so dass wir diese Art der Restaurantbesuche nach wenigen Tagen einstellten.
    Die Zusammenarbeit zwischen Autor und Co-Autor, zwischen zwei Kollaborateuren, kann durchaus Glücksgefühle auslösen: wenn einer den anderen abwechselnd dazu bringt, wie bei einem Tennisspiel, den anderen zu bedienen und herauszufordern.
    Und Wilder hatte mir eine Geschichte erzählt, die zeigt, wie die Kollaboration funktioniert – auch wenn sie nicht funktioniert.
    Bei »Some Like It Hot« schrieben Wilder und Diamond im Wettlauf mit dem nächsten Drehtag. Sie nähten zwangsläufig mit heißer Nadel.
    An einem Freitag war es so weit. Sie waren beim (später berühmten) Schluss. Als Lemmon sich schließlich die Perücke vom Kopf reißt, um dem Millionär im Fluchtboot klarzumachen, dass er ihn nicht heiraten kann – »aber ich bin ein Mann«.
    So weit war Wilder kurz vor Feierabend gekommen. Nun sollte ein letzter Satz gefunden werden. »Big deal!« oder »So what!« oder »No problem!« und Ähnliches war ihnen als Schlusspointe eingefallen. Und wieder verworfen worden. Schließlich sagte Diamond: »Nobody is perfect.« Wilder habe ihn fragend, zweifelnd angesehen. Ja, habe Diamond erklärt, das sei die Pointe eines Witzes, bei dem die Ehefrau im Streit ihren Mann anbrüllt: »You're a perfect idiot!« Und er zur Abschwächung ihres Fluchs sagt: »Nobody ist perfect.« Wilder war nicht überzeugt, he was not amused. Aber da er müde und es spät war, ließ er den Satz stehen. »Vielleicht fällt uns ja Montag beim Drehen noch ein besserer ein.« Das war glücklicherweise nicht der Fall. Und so blieb der zu Recht berühmteste Filmschluss stehen: Weil niemand vollkommen ist, glückte dieser vollkommene Schluss.
     
    Ich habe das kollektive, das gemeinsame Schreiben, das Formulieren im Team geliebt. Und als ich von der »Zeit« zum »Spiegel« kam – aus der hehren Klause der edlen Einzel federn zur Schmiede der gemeinsamen Story –, habe ich, wie mir Kollegen später in wohliger Erinnerung erzähl ten, das gemeinsame Formulieren eingeführt. Wir standen, aus unseren Einzelwaben befreit, im Flur und haben gemeinsam formuliert, geblödelt, Kalauer ausprobiert. Die Zusammenarbeit mit Peter Stolle oder Wolfgang Limmer basierte auf einer solch kumpelhaften Zusammenarbeit: Wir waren »sprachverbuhlt«, in Kalauer verliebt. Wie glücklich waren Stolle und ich, als uns, beim Schrei ben des Titels über die Soap »Schwarzwaldklinik«, die Zeile »Romanze in Mull« einfiel. Oder als Limmer und mir bei Elstners »Wetten dass?«-Schwindeleien etwas von einer »Reise in die innere Mogelei« einfiel. Beim Nachruf auf Klaus Kinski habe ich zusammen mit den Kollegen den schweinischen Kalauer gefunden, dass Kinski mancher Frau die »Höhle heiß gemacht habe«. Fritz Rumler, ein Virtuose des gedrechselten Kalauers, fiel die Überschrift zu einem Kloster-Porno bei gemeinsamem Nachdenken ein: »Mönche mögen's

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