Auf der Insel der Sehnsucht
dass er am kommenden Wochenende nach Paris fliegen würde.
Sie freue sich schon darauf, hatte sie ins Telefon gegurrt.
Und er auch. Ein Wochenende im Bett mit der Französin, und Ivy wäre vergessen. Ach was, er hatte sie jetzt schon vergessen.
„Eure Hoheit?“
Wie oft hatte der Pilot ihn schon angesprochen? Damian räus perte sich. „Ja?“
„Wir landen in wenigen Minuten.“
„Danke.“
Sie flogen niedrig über die kleineren Inseln der Kykladen dahin, zu denen auch Minos gehörte, doch diese Inseln waren ebenso schön wie unberührt. Damals, als Damian noch Zeit für spontane Ausflüge gehabt hatte, war er mit einem kleinen Boot zu den Inseln hinübergerudert, um sie zu erforschen. Und manchmal, wenn er unter den Fichten hindurchgewandert war, die sich mit ihren Wurzeln an den felsigen Boden klammerten, hatte er erwartet, einen der alten Götter vor sich auftauchen zu sehen, zu denen sein Volk früher gebetet hatte.
Oder eine Göttin. Aphrodite, Artemis, Helena von Troja. Die war zwar keine Göttin, aber mit ihrer Schönheit hatte sie einen Mann in die Knie gezwungen.
Auch Ivy hätte das fast bei ihm geschafft, doch das Schicksal war im letzten Moment dazwischengefahren und hatte ihn zur Vernunft gebracht.
Der Hubschrauber setzte auf den Landeplatz auf. Damian klopfte dem Piloten dankend auf die Schulter, sprang aus dem Helikopter und lief unter den wirbelnden Rotoren zu seinem Jeep, den er vor zwei Tagen hier abgestellt hatte. Es war sechs Uhr früh, er war müde, hungrig und brauchte dringend eine Dusche.
Aber das konnte warten. Erst musste er die Sache mit Ivy erledigen.
Er wollte sie von dieser Insel herunter haben, und zwar schnell.
Sicher, sie trug sein Kind in ihrem Leib. Und aus diesem Grund musste sie auch beobachtet werden. Aber dafür brauchte sie nicht im Palast zu wohnen, jemand anders konnte die Observierung übernehmen. Er würde seinen Anwalt beauftragen, eine Wohnung für sie zu beschaffen und Arrangements für eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung zu treffen. Bis sein Sohn zur Welt kam, würde Damian jeden ihrer Schritte kontrollieren, mit wem sie sich traf und wann sie wohin ging. Sie würde nicht einmal atmen können, ohne dass er davon erfuhr.
Aber nicht in New York.
Damian lächelte selbstzufrieden, als er den Jeep die Haarnadelkurven des Berges hinauflenkte. Nein, er würde sie in erreichbarer Nähe halten. In Athen.
Ivy würde seinen Sohn hier auf die Welt bringen, in seinem Land, wo die Gesetze seines Volkes griffen, wo seine Nationalität und sein Name erhebliches Gewicht hatten.
Natürlich würde ihr das nicht passen.
Doch das war sogar noch ein Bonus – deshalb gefiel ihm die Idee ja auch so gut.
Damian betrat den Palast durch eine Geheimtür. Der Legende nach sollte einer seiner Vorfahren diesen Geheimgang angelegt haben, um die untreue Ehefrau in flagranti ertappen zu können.
Im Moment verspürte er kein Bedürfnis, dem gesamten Hauspersonal über den Weg zu laufen und die übliche Morgenetikette einzuhalten. Die einzige Person, die er sehen wollte, war Ivy. Eine Tasse Kaffee würde er sich allerdings bringen lassen. Und dann würde er Ivy zu sich rufen, damit er ihr seinen Beschluss mitteilen konnte.
Sie hatte eine der Gästesuiten belegt, Esias hatte ihn informiert, keine Stunde, nachdem er im Athener Büro angekommen war. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch nicht klar denken können. Fast wäre er sofort wieder zurückgeflogen, um sie zur Rede zu stellen und zu Ende zu bringen, was sie begonnen hatten.
Dem Himmel sei Dank, dass er es nicht getan hatte.
Damian wollte sie auch nicht mehr als sein Eigentum betrachten, so wie er es ihr in New York angedroht hatte. Er wollte sie nur noch loswerden. Was machte es da für einen Unterschied, dass er trotz der wiedergewonnenen Vernunft den Duft ihrer Haut noch riechen konnte? Dass er sich an die Süße ihrer Lippen erinnern konnte. Dass ihm ihr Geschmack noch auf der Zunge lag.
Mitten auf der Treppe blieb Damian stehen. Was sollte das jetzt? Hör auf damit, ermahnte er sich wütend. An Ivy war nichts Außergewöhnliches. In wenigen Tagen würde er mit einer Frau zusammen sein, die kein hinterhältiges Spiel trieb, die ihn nicht bewusst provozierte und absichtlich frustrierte.
Eine Frau, die nicht leise seufzen würde wie Ivy, wenn er sie küsste. Die nicht seinen Namen wisperte, als sei er Musik. Die nicht in seinen Armen einschlafen würde, als sei es der einzige Platz auf der Welt, an dem sie sich sicher und geborgen
Weitere Kostenlose Bücher