Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
Mysterium einzudringen. Ich bin der einzige Ausländer auf dem Platz. Ich gehöre nicht dazu, aber ich werde, ein Fremder zwar, aufgenommen.
San Isidro
Samstag, der 13. Mai, von Zafra
nach Villafranca de los Barros, 13,1 Kilometer
Gesamt 167,4 Kilometer
8. Wandertag
Heute stehe ich später auf. Ich habe ja nur eine kurze Etappe von 13 Kilometern vor mir. Diese Entscheidung sollte ich später noch bereuen. Ich laufe noch ein wenig durch die Stadt, kaufe ein für den Mittag, der Zauber des Abends ist vergangen, heute morgen liegt die Plaza wieder hell und leer da. Erst um elf Uhr hole ich meinen Rucksack aus der Herberge und breche auf. Ich bin wieder einmal der letzte heute, die anderen sind längst über alle Berge. Es ist schon sehr heiß. Gleich hinter Zafra geht es einen steilen Hügel in glühend schattenloser Hitze hinauf, im Tal liegt flirrend Los Santos de Maimona. Schön ist es, aus der Hitze des Mittags in die Kühle des weißen Städtchens zu tauchen. An der Plaza Mayor höre ich Singen aus der Kirche, heute ist Samstag, um zwölf Uhr findet die Mittagsmesse statt. Neugierig trete ich durch das dunkle Portal in die Kirche, die voller Menschen ist. Dies ist mein erster Gottesdienst auf der Wanderung, es sind lauter einfache Bauern. Die alten Männer in zerknitterten, schwarzen Anzügen, die Frauen komplett in schwarz mit langen Röcken und Kopftüchern. Verrunzelte lehmfarbene Gesichter wie das Land, in dem sie arbeiten.
Ich knie nieder in dieser frommen Gemeinschaft und danke meinem Heiligen in dieser schönen, kühlen Halle mit dem hohen gotischen Netzgewölbe. Der Pfarrer begeht den Gottesdienst hinter einem schwarzen, schmiedeeisernen Lettner, der wie im Mittelalter den Chor vom Kirchenschiff trennt. Der Hochaltar versinkt in verschwenderischer Blumenfülle, weiße Iris im Überfluß, heute feiert man San Isidro.
Ich muß weiter, ich bin heute spät dran. An der Bar um die Ecke, wo ich ich mein erstes Bier, trinke, sind nur Männer, die nicht in der Kirche sind.
Ein alter Mann spricht mich an und zeigt auf seinen Esel draußen, den er an der Hauswand angebunden hat. Er könne mich mitnehmen, auf seinem Esel, und meinen Rucksack auch – meine Muchila. Ich zögere einen Moment, dann lehne ich ab, ich will doch lieber laufen. Die Hitze erschlägt mich auf der flirrenden Straße nach der kühlen Bar. Ich muß hinaus in die glühende Landschaft, hügelauf, hügelab, durch Felder, wo der Wein in kleinen Büschen auf roter Erde wächst, Olivenplantagen mit knorrigen, kleinen Bäumen auf trockener, umgepflügter Erde. Gras gibt es nicht mehr. Ich bin froh, unter einem größeren Olivenbaum ein wenig Schatten zu finden auf harter, trockener Erde.
Ich lehne mich auf meiner Isomatte erschöpft gegen meinen Rucksack, den ich gegen den schiefen Stamm gestellt habe. Ein Glück, daß ich diese Matte mithabe. So muß ich nicht auf den trockenen, spitzen Disteln und den steinharten, staubigen Schollen sitzen. Die Zweige reichen bis zum Boden, ein natürliches Zelt. Absolute Stille, durch die nur der Mittagswind leise rauscht. Ich genieße meine halbe Tomate, den fettigen Schinken, das harte, trockene Brot, den Käse, aus dem das Fett läuft, den warmen, trockenen Wein. Das Picknick ist wie ein Ritual, jeden Tag gleich, ein Stück Vertrautheit in der fremden Landschaft. Ich möchte liegen bleiben in dieser schläfrigen Stille, die Augen geschlossen halten und nur das Rascheln der kleinen Käfer und das Säuseln der trockenen Grashalme hören.
Doch ich muß weiter auf meinem endlosen Weg. Noch zwei Stunden bis zur Herberge. Der Weg ist nun rostrot wie in Australien, das gelbverbrannte Gras ebenso. Dies ist das Outback Spaniens – Extremadura. Olivenbäume tauchen auf. Eine zerfallene Ölmühle, die wie eine Kirchenruine aussieht, erinnert an vergangenen Reichtum. Große Schilder verkünden, daß hier eine Raffinerie geplant ist, deshalb die Verwahrlosung. Jetzt freue ich mich auf die angekündigte Herberge in einer romantischen, alten Ölmühle, „La Almanzarra“, ein wahrer Pilgerluxus mit Restaurant und schönem Innenhof, Olivenmuseum mit originaler Olivenpresse. Sienarot tauchen die Gebäude der Mühle unter den alten Olivenbäumen auf. Mein Herz klopft erwartungevoll, nur ist alles so verdächtig still, aber vor der Mühle steht ein Auto. Doch ich höre keine Stimmen, ich sehe keine Wäsche im Hof flattern, ich klopfe an das große Tor, verschlossen, nichts regt sich. Nur ein großer Hund steht traurig
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