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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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Steinen fotografierend, die lärmende Spaßgesellschaft, für die Urlaub eine große Gaudi ist. Die Größe der Geschichte um sie herum begreifen sie nicht.
    Ich ziehe mich auf die oberste Reihe des Tribünenrundes zurück auf die kühlen, weißen Steine und betrachte von oben zurückgezogen das bunte Treiben vor den uralten Kulissen. Man nennt Sevilla auch das „Spanische Rom“, der Wind trägt den Zauber der Jahrtausende zu mir empor. Im Straßenbild fallen mir immer wieder Häuser auf, deren Obergeschosse auf Stützen stehen. Man hat das Erdgeschoß leer gelassen, auf stählernen Stegen läuft man über die meterdicken römischen Grundmauern, blickt tief in die ehemaligen Räume, Höfe, Zisternen und Straßen hinunter. Die gesamte Altstadt Méridas ist auf die alte römische Stadt gebaut, die man nur an besonderen Stellen freigelegt hat.
    Das Beeindruckendste in dieser Hinsicht ist die Basilica de Santa Eulalia, eine romanische schlichte Kirche, die unter ihrem Schiff ein unglaubliches Geheimnis enthüllt. Ich steige eine steile, steinerne Treppe hinab und befinde mich unvermittelt unter dem Kirchenschiff wieder, dessen Säulenfundamente man freigelegt hat, um die Geschichte des Untergrundes zu zeigen. Der Kirchenboden schwebt auf einem Stahlgerüst über den Säulenbasen und darunter tun sich drei Schichten der Vergangenheit auf.
    Ganz zu unterst liegen die römischen Mauern, in deren ehemaligen Wohnhäusern, als sie von den Römern verlassen wurden, sich eine christliche Nekropole mit steinernen Sarkophagen eingerichtet hat. Daraus entstand dann später eine kleine Urkirche der Westgoten, die nach den Römern von Norden her in Spanien einfielen, und darüber, Jahrhunderte später, eine große byzantinische Kirche, auf die dann wieder einige Zeit später die jetzige mächtige romanische Kirche gebaut wurde, die der Märtyrerin Santa Eulalia geweiht wurde. So baut sich hier Epoche auf Epoche, Jahrhundert auf Jahrhundert, Baustil auf Baustil auf, jeweils die Mauern der vergangenen Zeit als Fundamente für die eigene nutzend. Ein Gräberschnitt durch die gesamte Geschichte Méridas. Vor der Kirche bauten dann die Spanier im 16. Jahrhundert den Hornito da Santa Eulalia auf – das Heiligtum der Hl. Eulalie – im schneeweißen Marmor der Renaissance mit einer antikisierenden Vorhalle. Geschichte über Geschichte. Müde und erschöpft gehe ich zur Herberge und ruhe mich auf der Steinbank am Wasser aus.
    Hier lerne ich Susanne kennen, ein blutjunges Mädel aus Salzburg. Susanne hat gerade Matura gemacht und ist losgezogen, die Welt der Jakobswege kennen zu lernen. In Roncesvalles hat ihr der große Schlafsaal nicht gefallen, den Camino fand sie zu touristisch, ein junger Mann, den sie unterwegs traf, erzählte ihr von der Unverdorbenheit der Via de la Plata, auf der Landstraße mochte sie nicht laufen, da machte sie lieber Autostop, jetzt ist die Oma gestorben, danach will sie durch Kreta wandern.
    Sie fängt alles an und führt nichts zu Ende. Sie wird auch Kreta nicht schaffen und wieder woanders hinreisen, wenn die Träume sich nicht erfüllen. Martin erzählte mir in Fuente de Cantos von den Menschen, die einen „Biß“ haben und denen, die keinen „Biß“ haben. Die einen erreichen etwas im Leben, die anderen nichts. Susanne hat keinen Biß. Sie wird nichts erreichen, weil sie immer kneift, wenn etwas schwierig wird. Trotzdem wünsche ich ihr viel Glück. Sie ist ja noch so jung und muß noch so vieles versuchen, bis sie ihren Weg gefunden hat.
    Heute ist unser letzter Abend. Wir treffen uns noch einmal auf der Plaza Espana, morgen fliegen die Vier wieder nach Deutschland. Sie waren mir so lieb geworden, Freunde für zehn Tage. So ist der Jakobsweg. Man gewinnt Freunde, ist eine Zeitlang zusammen, dann verliert man sie wieder. Wir trinken zuviel Brandy. Um halb eins ist die Tür der Herberge fest verschlossen, ich suche mir schon einen Platz auf der Wiese aus, da hört einer drinnen unser lautes Klopfen und läßt uns herein. Ich bin traurig.
    Ich besuchte sie dann einige Monate später in Bad Neuenahr. Wir aßen italienisch zusammen, schauten die Fotos von unserer gemeinsamen Wanderung, blödelten, lachten. Und doch war es anders. Wir waren wieder normale Alltagsmenschen geworden, ich auch, und eigentlich hatten wir uns außer Erinnerungen nichts mehr zu sagen. Eine schöne Zeit ist vergangen und man kann sie nicht wieder zurückholen.

Der Raser und sein Hündchen

    Mittwoch, der 17. Mai, von Mérida
    nach

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