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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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anders als in Bayern, wo die Kühe getrennt von mir hinter dem Zaun grasen. Hier muß ich durch sie hindurch, klein und schwach und nichtig. Puh, geschafft! Die Schweine auf der nächsten Weide beachten mich nicht, sie suhlen lieber in einer Mulde im schlammigen Teich.
    Mittags, ich lehne zur Rast bequem im Schatten eines Olivenbaumes an einer Mauer, habe die beiden Stiefel mit Wein und Wasser vor mir aufgebaut, da höre ich schon von weither ein eiliges Dröhnen von Wanderstiefeln auf dem Boden und dann ein heftiges Keuchen. Da kommt wohl ein ganz schneller angelaufen. Richtig, er bleibt kurz vor mir stehen und fragt mich erstaunt, ob es mir nicht gut gehe, so wie ich da liege im Gras. Ich biete ihm meinen Rotwein an. Er lehnt ab, er trinke nur Vino del Ganso. Ich frage, was das sei. Er deutet auf seine Plastikflasche mit Wasser und sagt: „Gänsewein“. Ha, das soll wohl lustig sein! Zeit hat er auch keine mehr für ein Schwätzchen, er sei schon seit halb sieben aus Torremagía unterwegs, Mérida habe er ohne Pause durchlaufen, die Altertümer interessierten ihn nicht, nur den Aquädukt am Weg habe er gesehen. So kann man auch wandern. Dann rast er weiter, wir würden uns ja in der Herberge in Aljucén sehen.
    Eine halbe Stunde später kommt eine Frau vorbei und fragt mich, ob ich ihren Begleiter gesprochen hätte. Ja, ja, er habe es furchtbar eilig gehabt, sei gleich weiter gelaufen, ob sie nicht ein wenig bleiben möchte hier im Schatten, mit mir plaudern und einen Schluck meines köstlichen Rotweins trinken. Nein, nein, sie müsse weiter, ihr Begleiter habe es immer so eilig, sie sei ohnehin schon weit zurück. Und hastet weiter. Der Raser und sein Hündchen! Was die wohl vom Wandern haben? An den Schönheiten der Natur laufen sie vorbei, die Kulturgüter der Städte erleben sie nicht, Klöster und Kirchen am Weg auch nicht. Da könnten sie ja gleich zu Hause in Bayern bleiben. Ich mache mir nichts daraus. Ein jeder pilgert auf seine Art. Santiago mag sie alle.  
    Wegen der drückenden Schwüle bin ich ziemlich erschöpft, als ich gegen drei Uhr in der hübschen, kleinen Privatherberge in Aljucén ankomme. Ein weißes Häuschen in einer Seitenstraße mit gemütlichen Zimmerchen, einer kleinen Küche, einem Aufenthaltsraum und einem schattigen Garten. Die Herberge heißt Annalena, nach ihren beiden Besitzerinnen, Anna und Elena, die aber leider nicht erscheinen. Der Raser und sein Hündchen sind schon da, er ist gerade dabei, schimpfend und grummelnd seine Wäsche aufzuhängen, 9 Euro müsse er für die Scheißherberge bezahlen und noch nicht einmal eine Waschmaschine sei da. Verzieht sich in sein Bett und ward nicht mehr gesehen.
    Ich lade seine Begleiterin, ein spätes Mädchen aus München, zu einem Glas Rotwein in den Garten ein. Sie ist Floristin, auf der Ichsuche, hat gerade eine Beziehung beendet und kann immer noch nicht loslassen. Kein Wunder, wenn sie sich gleich an solch einen Hackklotz hängt, der sie durch das Land schleift. Ich erzähle ihr etwas von Fremdbestimmung, was sie aber nicht versteht. Armes Mädel, so wird sie nie zu sich finden.
    Am nächsten Morgen sind sie schon um halb sieben Uhr weg und bestimmt bis Valdesalor gerannt, da ich sie in Alcuéscar im Kloster nicht getroffen habe. Dann sind sie in zwei Tagen in Cáceres. Ich habe sie nie mehr wiedergesehen.
    Ich sitze schön und gemütlich in der schwülen Nachmittagsluft im schattigen Hof und schreibe seit Tagen wieder in meinem Tagebuch. Leider gibt es nur eiskalte Cola im Kühlschrank. Außer uns kommt niemand mehr. Der laute Rummel der ersten zwei Wochen von Sevilla nach Mérida ist vorbei, die meisten sind wieder zurück nach Hause geflogen. Jetzt kommt allmählich die intime, entspannte Pilgeratmosphäre auf, die ich noch vom Camino del Norte her in Erinnerung habe und nach der ich mich in den letzten zwei Wochen so manches Mal zurückgesehnt habe.
    Die Münchenerin und ich gehen bei Sergio im Ort essen, der einzigen Möglichkeit, etwas Warmes zu bekommen. Eine südländische Frau steht hinter der Theke, der Comedor ist mit weißen und blauen Azulejos gefliest, spartanisch eingerichtet mit einfachen Holztischen und Stühlen, die Fensterläden bleiben geschlossen, wir speisen bei Neonlicht von der Decke. Es gibt eine fette Nudelsuppe, Kartoffelomelett mit Käsedreiecken, einen einfachen Bauernsalat und nachher grüne Äpfel und Orangen. Dazu einen Rosé in weißer Flasche aus dem Haus. Wir sitzen noch lange und erzählen.

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