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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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Pilgeratmosphäre. Sie mag das auch. Sonst ist niemand da. Ich nehme mir noch eine Flasche ohne Etikett von dem einfachen Rosé mit für morgen. Um zehn sind wir im Bett.

Im Kloster

    Donnerstag, der 18. Mai, von Aljucén
    nach Alcuéscar, 20,4 Kilometer,
    gesamt 249 Kilometer
    12. Wandertag

    Als ich um sechs Uhr aufstehe, sind die Münchener schon dabei zu packen und verschwinden bereits eine halbe Stunde später. Das sind Raser. Sie haben es ja auch fertig gebracht, von Torremagía in einem Tag ohne Halt in Mérida durchzulaufen – immerhin 34 Kilometer. Er mag die Städte nicht, auch Kultur oder Geschichte interessieren ihn nicht, sie dackelt wie ein Hündchen hinter ihm her. Im Gästebuch entdecke ich, daß Gebhard und Cäcilie sowie Max vorgestern hier waren. Schade, sie sind mir nun zwei Tage voraus.-
    Ich frühstücke in der modernen Bar, die um sieben Uhr schon geöffnet ist. Ich weiß jetzt, warum diese Bars hier auf dem Land schon so früh öffnen. Hier treffen sich die Handwerker, die gemeinsam mit dem Auto zur Arbeit fahren und die, die mit dem Bus, der auch schon so früh fährt, in die Stadt wollen. In der Bar sitzen vier Männer auf den Barhockern und gucken Fußball – um sieben Uhr in der Frühe!
    Die Fernseher hängen immer über der Bar an der Rückwand, so daß man von der Theke beim Trinken die Bilder verfolgen kann. Zwischen jedem ist ein Barhocker frei. Sie reden auch nicht miteinander, obschon sie wohl alle gute Freunde sind. Der Wirt sieht aus wie Louis de Funès und kennt sie alle.
    Heute ist schönes Wandern auf sandigen Wegen durch den Naturpark von Cornalvo. Der weiße Sandweg schlängelt sich zwischen großen, runden Granitblöcken und lockeren Steineichen auf gelben Weiden, Kuhherden am Weg wie gestern, schöne gepflegte Pferde grasen zwischen den Bäumen. Ich durchquere die Sierra de San Pedro, ein Naturparadies fernab jeglicher Besiedlung.
    Auf 20 Kilometer gibt es kein Haus, keine Straße, keine Wasserstelle. Geräuschlos schweben Störche in elegantem Gleitflug über die Wiesen, die Lerchen über mir am Himmel jubeln unsichtbar eine himmlische Musik, Ameisenstraßen kreuzen den Weg, kleine, grüne Kröten hüpfen von einer Seite auf die andere. Ich schwebe durch diese zauberhafte Landschaft, bin alle Schmerzen los, manchmal noch ein Stich im kleinen Zeh, ich kann wieder kräftig ausschreiten wie in den letzten Jahren, meine Ängste sind weg, der Weg hat mich angenommen. Der Himmel bleibt den ganzen Tag bedeckt, angenehmes Laufen, es geht ein kühler Wind. Die Sonne laugt einen schon aus sonst, wenn sie vom Himmel sticht. Ich treffe den Katalanen wieder, einige knatschbunte Radfahrer überholen mich. Heute ist Frieden in einer traumhaften Landschaft. Hier gibt es noch ein Stück vom Paradies.
    In Alcuéscar komme ich heute wieder in einem Kloster unter, der Congregación de los Esclavos de María y de los Pobles – der Vereinigung der Sklaven von Maria und den Armen. Welch ein Titel! Die Vereinigung wurde von Padre Leocardio gegründet, der 1910 in Calamonte geboren wurde und 1990 starb. Ein „modernes“ Kloster, vollgestopft mit Marien- und Jesusstatuen. Vor den Seitenflügeln sitzen behinderte und debile Männer, die mir kindisch lächelnd zuwinken.
    Ich bekomme ein schlichtes weißes Einzelzimmer mit knarrendem Eisenbett und einem winzigen Waschbecken. Um halb acht gibt es eine Führung durch das Museum, in dem das Leben Padre Leocardios ausgestellt ist, mit seinen Rasierapparaten, Brillen, Gebetbüchern, seinem Krankenzimmer und seinem Ornat als Sacerdote – Priester.
    Man zeigt auch seine Privatkapelle mit einer lebensgroßen, hellblauen Madonna, die in die Kirche hinunterblickt. Auch neben seinem Krankenbett steht eine Madonna in Lebensgröße. Dieser religiöse Personenkult ist für einen Nordeuropäer schon etwas makaber, aber die Südländer sehen das anders, sie leben in und mit der Religion und Gläubigkeit in einer für uns unvorstellbaren kindlichen Naivität.
    Um viertel nach neun wird in der Kirche von einem alten Pater mit knittriger Stimme ein Santiagogebet vorgelesen. Ich hatte mich schon auf die schönen Mönchsgesänge gefreut, doch dies ist ein modernes Kloster ohne Tradition. Die Kirche ist mit Ziegeln dekoriert wie eine gotische Ritterburg, der Altar aus Bimsstein gemauert. Das soll wohl das Armutsideal des Gründers ausdrücken. Doch über dem Altar thront über einem Fenster die Madonna von vorhin in Blau unter goldenem Baldachin. Da ist wohl etwas

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