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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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Aljucén, 16,9 Kilometer,
    gesamt 228,6 Kilometer
    11. Wandertag
     
    Als ich Mérida verlasse, steht rechts von mir schon bei den letzten Häusern der Stadt eine vielbögige Brücke hoch über dem Tal. Es ist der Aquädukt de los Milagros, eine antike Wasserleitung aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., über die von einem Stausee in fünf Kilometer Entfernung das lebensnotwendige Wasser für die große Stadt nach Mérida geleitet wurde. Die Römer, obschon großartige Ingenieure, kannten das Prinzip der kommunizierenden Röhren noch nicht, daß Wasser nämlich in einer geschlossenen Leitung durch den Wasserdruck immer wieder auf seine Ausgangshöhe emporgehoben wird und ein immer gleiches Niveau herstellt – Prinzip Wasserschlauch. Deshalb mußten sie aufwändige Aquädukte bauen, um die Täler zu überqueren, hinterließen uns aber damit gewaltige Kunstwerke auf vielbögigen Brücken. Der Aquädukt de los Vilagros ist 830 Meter lang und 25 Meter hoch und überquert den Río Albarregas. Der bekannteste und brühmteste, wohl auch der schönste in seinem weiten Tal ist der Pont du Gard, der das Wasser in die Römerstadt Nimes in Südfrankreich leitete.
    Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, die zweigeschossigen Bögen schneiden einen scharfen, schwarzen, gewaltigen Scherenschnitt aus dem pfirsichfarbenen Morgenhimmel. Oben drauf hocken schwarzen Gespenstern gleich die Störche auf ihren Nestern und erwarten den wärmenden Sonnenaufgang. Ich muß erst wieder einmal fünf Kilometer Landstraße gehen, wie immer, um aus diesen großen Städten hinauszukommen. Links steht ein Pilgerkreuz am gelbverbrannten Straßenrand: eine steinerne römische Säule mit einem Kapitell obenauf.
    Die Christen entfernten das Kohortenzeichen der Römer, den Reichsadler mit Eichenkranz und setzten an dessen Stelle ihr christliches Kreuz, Triumph ihres Gottes über den römischen Unglauben. Und so überdauerte das alte römische Wegzeichen die zwei Jahrtausende bis in unsere Zeit und weist nun uns Pilgern den Weg. Ich werde in den nächsten Tagen noch mehrere solche Zeichen am Wegesrand entdecken, gehe ich doch auf der alten Römerstraße – der Via Calzada – die allerdings hier noch von der neuen Teerstraße überdeckt wird, bis sie sich bald frei machen wird und mich auf ihrem alten unversehrten Pflaster geleiten wird.
    Im nächsten Tal liegt der Embalse de Proserpina, der alte römische Stausee, eine ruhige, träge, grauweiße Wasserfläche zwischen gelben Hügeln. Es ist der größte bekannte römische Stausee, von der Unesco zum Kulturgut der Menschheit erklärt. Werden unsere Talsperren in 2000 Jahren auch noch erhalten sein? Ich gehe tatsächlich über die alte römische Staumauer, ein Erdwall mit Resten von Mauerbefestigungen. Auf einer Halbinsel am See sitzt der Katalane beim Frühstück, dieser schweigsame, verschlossene Mann, der immer schwarz gekleidet und dick angezogen mit Mütze und langer Hose läuft. Er winkt mir freundlich zu.
    Am Seeufer liegt ein Ausflugslokal neben dem anderen mit Gärten hinter Zäunen und schilfgedeckten Bars am Ufer. Gewiß ist am Wochenende und in den Ferienmonaten hier der Teufel los, heute ist alles tot und verschlossen. Ich hatte mich schon auf ein Bad im stillen See gefreut, aber es ist noch zu kühl, nur ein einsamer Reiher stakst durch die Seerosen.
    Heute ist es erdrückend schwül, die Sonne verbirgt sich hinter langsam ziehenden grauen Wolkenfeldern. Auf weißem Sandweg wandere ich durch eine hügelige Landschaft, trockene olivgrüne Steineichen stehen weit verstreut und verlassen auf dem gelben Gras. Eine Savannenlandschaft, wie ich sie aus Filmen über Afrika kenne, heiß, trocken, menschenleer. Ich bin nicht mehr in Europa. Manchmal muß ich verrostete Weidetore aufsperren, die quer über den Weg gebaut sind und die Besitztümer der Fincas voneinander trennen. Braune Rinder liegen wiederkäuend auf dem Weg, ich umgehe sie vorsichtig in weitem Bogen. Sie sind groß und mächtig und weichen nicht, starren mich nur neugierig mit ihren großen Kuhaugen an.
    Ich bin mutterseelenallein in dieser großartigen Landschaft, dies ist das Reich der Kühe, ich bin der Eindringling. Sie beachten mich nicht, grasen dumm und ruhig weiter, brave, braune, warme Leiber, auf nahem Hügel steht still und stumm ein schwarzer Stier mit spitzen langen Hörnern, da schleiche ich mich lieber schnell und lautlos vorbei, bis ich beim Näherkommen an dem Euter erkenne, daß auch dies eine brave Kuh ist. Das ist hier

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