Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
asphaltierten Straßen mit Gehwegen, kleinen Bäumchen, Mauern, Vorgärten, weißen Häuschen.
Also spuckt mich die kühle Stadt wieder aus ihrem geordneten Häusergewirr durch ein Straßenloch in die heiße, sirrende Ebene, endlose gelbe Weiden auf rollenden Hügeln bis an den Horizont. Nur der blaue Himmel, weiße Wolken, gelbes Gras. Eisenzäune mit verrostetem Stacheldraht. Extremadura. Die Landschaft erinnert mich an Arizona oder New Mexico. Lost Horizons. Rinderherden, am Wegrand eine Schafherde, die in kleinem Tal saftig grünes Gras weidet, das noch von den Frühlingsregen übrig geblieben ist. Der Schäfer schläft an einem Stein. Brutal zerschneidet die neue Autobahn die schläfrige Stille.
Um zwölf Uhr bin ich nach drei Stunden schon in Casar. In der Bar Majuca bekomme ich den Schlüssel zur Herberge und esse gleich zu Mittag: Salat, Tintenfisch und Frites. Ich bin jetzt der einzige Pilger, der übrig geblieben ist von den 30 am Anfang. Jetzt kann ich mir mein Bett in der Herberge aussuchen. Ich schließe die Läden und ruhe mich für zwei Stunden in der dunkeln Kühle aus. Draußen ist es wieder heiß geworden. Nachmittags kommen noch zwei spanische Pilger. Sie sind wortkarg wie immer.
Die Menschen sind verschlossen hier. Verschlossen in einem harten Land. Nicht das muntere Geplapper der Italiener, das höfliche Gespräch der Franzosen, das freundliche Reden der deutschen Freunde. Die Spanier fragen nicht, geben auch keine Antworten, wollen nichts hören und nichts preisgeben von sich. Sie sind nicht unfreundlich, sie sind reserviert, zurückhaltend.
Auf eine Frage erhält man nur als Antwort ein „Si“ oder ein „No“, mehr nicht. Vielleicht macht dieses Land sie so, oder ihre Geschichte. Ihre Isolation all die Jahrhunderte, wo sie unter sich waren, ohne Fremde, ohne Besucher. Spanien am Rande Europas. Nie war es Durchgangsland wie Deutschland, Frankreich oder Italien. Nie hat es gelernt, mit Fremden umzugehen, nachdem es die Mauren und die Juden aus dem Land geworfen hat, immer war es ein Herrenvolk, grausam zu den Unterlegenen, untergeben zu den Herrschenden. Ist dies der spanische Charakter? Ich werde mit den Spaniern nicht warm, ich, der Weitgereiste, der überall Freunde fand, deren Sprache er sprach, der aufgenommen und angenommen wurde als Freund unter Freunden. Nur Spanien verschließt sich mir, nach acht Jahren und vier Jakobswegen. Schade, ich will es weiter versuchen.
Nachmittags sitze ich in dem kühlen, schattigen Innenhöfchen und schreibe Tagebuch. Majuca hat extra den Springbrunnen mit einem nackten Knaben, der Wasser in die Schale spuckt, und einem Lyra spielenden Mädchen eingeschaltet. Alles aus weißem Beton. Zum Abendessen gibt es nur eine einzige Bar, wo ich mich schon um sieben Uhr hinsetze und auf das Abendessen warte, das aber wie immer hier in Spanien erst um neun Uhr kommt. Bei einem Bier schaue ich dem Stierkampf – der Corrida - im Fernsehen zu. In Madrid ist Fiesta: zehn Tage lang Stierkampf mit den besten Torreros des Landes. Alle Kämpfe werden pausenlos vom Fernsehen übertragen. In jeder Bar hängt ja so ein überdimensionierter Flachbildschirm und die Männer, die offensichtlich den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben, hocken vor einem Bier an der Bar oder an kleinen Tischchen und schauen schweigend zu.
Ich habe noch nie einen Stierkampf original in der Arena gesehen, auch noch nie so nah und ausführlich im Fernsehen, so daß auch ich ganz interessiert und fasziniert zuschaue. Die Banderilleros, das sind die, welche den Stieren zu Anfang diese kleinen Spieße mit den farbigen Bändern in den Nacken bohren, haben etwas dumme, arrogante Gesichter unter ihren schwarzen Käppis. Sie sind dazu da, den Stier erst zu reizen und „scharf“ zu machen, damit er auch richtig „wild“ wird. Sind doch diese dummen Tiere erst einmal völlig still und stumm, wenn sie aus den dunklen, kühlen Ställen in die heiße, grellweiße Arena mit den Tausenden von schreienden Menschen getrieben werden. Da möchten sie lieber zurück in ihren gemütlichen, ruhigen Stall. Dann kommen diese Banderilleros und pieken sie mit den kleinen Spießen, bis das Blut rot die schwarzen Flanken entlang in den weißen Sand tropft. Das tut weh und macht sie vor Schmerz und Wut wild. Ich bewundere die eleganten Bewegungen und den Mut, wenn sie gänzlich unbewaffnet den Stier auf sich zukommen lassen, ihm elegant ausweichen und ihm dabei die zwei Spieße in den Rücken stechen. Manchmal
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