Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
Vom Netzwerk:
Reise in Santiago de Compostela geschehen, daß sie genau so unvermittelt auf der Plaza vor meinem Restaurante auftauchten, als habe sie Santiago wieder geschickt. Zufall?
    Ich schlafe zwei Stunden in meinem kühlen Zimmer, dann erkunde ich die Altstadt. Als die damals noch islamische Stadt 1170 vorübergehend in christliche Hände fiel, wurde hier der Orden der Jakobusritter gegründet, der sich den Schutz der Pilgerwege und die Reconquista, die Eroberung des maurischen Spaniens durch die Christen zum Ziel setzte. Daß dieser Orden an der Via de la Plata und nicht am Camino Francés in Nordspanien entstand, zeigt, daß seine Bedeutung eher politisch-militärische als religiöse Ursachen hatte. Nachdem die Mauren die Stadt zunächst wieder zurückeroberten, wurde sie 1220 endgültig dem christlichen Königreich León einverleibt.
    Die Altstadt liegt oberhalb der Plaza Mayor mit ihren weißen Häusern, umgürtet mit einer meterdicken Mauer maurischen Ursprungs aus braunem Stein. Über eine gewaltige Freitreppe betrete ich durch die Puerta de la Estrella – das Sternentor – die engen, schattigen Gassen. Die Altstadt ist gänzlich in gotischem und Renaissancestil aus dem 15. und 16. Jahrhundert errichtet und von einzigartiger Homogenität. Nichts mehr wurde seitdem geändert, ergänzt oder umgebaut, sie ist wie eingefroren in jene Zeit. Alles ist aus diesem gelbbraunen Sandstein, die Mauern, die Straßen, die Kirchen, die Paläste, nichts ist weiß oder andersfarbig, eigentlich sind es nur dicke Mauern, in die größere Öffnungen für Tore und kleine Öffnungen für Fenster geschnitten sind. Die ganze Stadt ist wie eine Burg im Wechsel von engen, dunklen Gassen und weiten, sonnenüberfluteten Plätzen, ein Museum des Mittelalters. Die Neuzeit findet außerhalb der Mauern statt.
    Cáceres ist das Zentrum der Extremadura, des härtesten Teils Spaniens. Von hier stammen die Konquistadoren Cortéz und Pizarro, die mit unvorstellbarer Härte und einer Handvoll Männern und Pferden einen Kontinent für Spanien eroberten. Hier, hinter diesen verschlossenen, fensterlosen Mauern lebten ihre Familien, noch heute gibt es unweit von Cáceres ein Dorf, das Pizarro heißt. Diese harten Adelssöhne waren nach der erfolgreichen Reconquista „arbeitslos“, und da sie nur das Kriegshandwerk gelernt hatten, waren sie hocherfreut, ein neues Betätigungsfeld in Südamerika gefunden zu haben.
    Ich erlebe zwei Hochzeiten. Die erste in der Iglesia San Mateo. Braut und Bräutigam posieren für die Fotos vor dem holzgeschnitzten Altarretabel, der Chor ist ein Blütenmeer von weißduftenden Lilien und Iris. Vater und Mutter sind einen Kopf kleiner als das Hochzeitspaar, die Brautjungfern sind in Scharlachrot gekleidet. Nach der Trauung sitzt man in der Seitenstraße neben der Kirche an gedeckten Tischen. Es ist eine Gesellschaft von mindestens 100 Leuten, einfache Menschen, aber alle fein und anständig gekleidet, eine große Familie.
    In der Concatredal de Santa María die zweite Hochzeit. Die Frauen tragen schwarze Schleier, weiße Fächer und stolze, schöne Gesichter. Die Madonna ist ebenfalls ganz in schwarz, mit weißer Haube und goldenen Stickereien. Drei silberne Kronleuchter hängen von dem gotischen Netzgewölbe. Durch das Kirchenschiff flutet strahlende Orgelmusik. In einer Nische entdecke ich Santiago als hölzerne Statue, golden bemalt. Ich bin auf seinem Weg.
    Ich lasse mich treiben durch die Gassen und Plätze der mittelalterlichen Stadt. Umgeben von seinen gewaltigen Festungsmauern hat sie ihre Faszination aus Gotik und Renaissance bewahrt. Hier hat sich die glorreiche Geschichte einer Weltmacht unverändert von den Veränderungen der Zeiten erhalten. Kirchen und Paläste stehen wie scharf geschnittene Steinblöcke aus honigfarbenem Stein im weißgrellen Licht der sengenden Sonne, fensterlos, abweisend. Gewaltige, schwarzbraune Holztore unter gotischen Spitzbögen oder Renaissancearchitraven mit römischen Säulen verschließen die Eingänge, darüber wachen die verwitterten Wappen der Adelsgeschlechter.
    Die Gassen sind hoch, dunkel und kühl geschnitten zwischen den fensterlosen Mauern, ein Spalt nur zwischen dunklen Schatten öffnet sich auf weite, sonnenüberflutete Plätze vor den gewaltigen Kirchen. Ein stilles Museum, nicht Läden, Boutiquen, Bars und Restaurants wie in Sevilla, keine weißgedeckten Tische unter schattigen Sonnenschirmen, hier wohnt niemand, hier ißt niemand, hier lebt niemand mehr, Stunden nur

Weitere Kostenlose Bücher