Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
wolkenlos, der Fernblick in der trockenen, klaren Luft unendlich. Gegen den kalten Wind hole ich meine schwarze Windjacke heraus und ziehe sie über meinen Pulli. Sofort geht es mir besser. Ich ziehe auch die Kapuze über meinen Strohut und wandere so durch die gleißend helle Landschaft. Nueve meses de invierno! Mai ist noch Winter.
Kühe stehen auf den Weiden hinter alten Steinmauern oder suchen Schutz unter hölzernen Viehunterständen. Ich bin der einzige, kleine, unbedeutende Mensch in dieser endlosen Landschaft. Später erscheinen vom ewigen Wind rundgeschliffene, rotbraune Felsen, vereinzelte Steineichen, gelber Ginster, der schon verblüht ist, und über allem dieses unglaubliche Licht mit seiner gleißenden Schärfe.
Ich laufe gut, heute sind alle Schmerzen weg, am Rand stehen wieder römische Meilensteine. Nach einem Schafstall gehe ich über ein Stück römische Straße, 6,00 Meter breit, auf hohem Wall, die befestigten Ränder sind gut erhalten. Ich gleite, ich fliege durch dieses Zauberland, Ziegen stehen senkrecht auf ihren Hinterbeinen und weiden die letzten Blätter an den mageren Sträuchern ab. In der Senke vor mir taucht klein erst, dann immer größer werdend, ein tiefblauer, langgezogener Klecks im braunen Tal auf, wie blaue Tinte hineingeflossen in eine Erdspalte als hätte der Himmel sich entleert aus seiner endlosen Bläue.
Es ist der Embalse de Alcántara. Hier wurde der Río Tajo aufgestaut, der als Tejo südwestlich von hier bei Lissabon in den Atlantik fließt und einen viele Kilometer langen Stausee bildet. Hoch über dem weit verschlängelten See mache ich an einem weißen Haus Mittagspause, dem einzigen Ort, der Schatten und Windschutz bietet in dieser grenzenlosen Ödnis. Geschützt lehne ich an der Mauer, zwei Radler kommen die Piste entlang, bleiben stehen, wir begrüßen uns.
Es sind Deutsche, unterwegs von Mérida nach Salamanca. Ich biete ihnen einen Schluck Rotwein aus meiner Flasche an, seit Mérida habe ich kein Deutsch mehr geredet. Sie haben es eilig, wollen weiter nach Canaveral. Schade, ein Schwätzchen hätte mir gut getan. Ich sitze, staune, schaue über die gewaltige Landschaft, gegenüber sehe ich schon Canaveral, ein weißer Strich vor den braunen Hügeln. Da will ich aber heute nicht mehr hin, das ist mir zu weit, über dem See soll es eine private Herberge geben.
Herunter geht es durch heißes, trockenes Buschwerk, leider muß ich dann längs des Sees der stark befahrenen Nationalstraße folgen. Am See entlang schlingt sich über Brücken und Tunnel das einzige Gleis einer Eisenbahn, der menschenleere, verlassene Bahnhof – Estación de Río Tajo – sieht nicht aus, als würde hier jemals ein Zug ankommen. Ans Wasser selbst kann man nicht, steinige, felsige Steilabstürze, keine Strände, ein versoffenes Tal. Bei uns wären hier an einem solchen Stausee Hotels, Zeltplätze, Gaststätten, Yachthäfen zu finden, hier gibt es nichts. Nach der Brücke über den Tajo sehe ich hoch über mir links der Carretera das erhoffte Hostal, Sessel stehen einladend vor dem weißen Restaurant.
Schon freue ich mich auf ein kühles Bier, eine Dusche, allein es sieht alles so leer aus, kein Auto auf dem Parkplatz, an dem verschlossenen Tor entdecke ich schon von fern einen weißen Zettel. Ich weiß schon, was darauf steht: Cerrado – geschlossen. Wahrscheinlich haben die nur am Wochenende auf oder in der Feriensaison. Mist - da muß ich dann wohl weiter, 12 Kilometer noch, drei Stunden durch die sengende Hitze.
Der Wind von heute morgen ist jetzt nach 2.00 Uhr glühend heiß geworden, die rote Erde von dem anderen Ufer ist jetzt weiß. Ich trotte, Schritt vor Schritt setzend über die endlose, staubige, grellweiße Piste. Der Ort, den ich vormittags schon vor den braunen Hügeln sah, will nicht näher kommen. Kehre um Kehre, die letzten Kilometer sind schwer.
Alles über 30 Kilometer ist schlimm. Zum einzigen Baum in der Ödnis muß ich 100 Meter durch das Gestrüpp steigen, um den Rest meines lauwarmen Wassers in ein wenig Schatten zu trinken.
Wieder liegt das Hostal am äußersten, entgegengesetzten Ende des Ortes. Für 15 Euro bekomme ich ein sauberes Zimmer, das ich hinter der dunklen Höhle von Bar nicht vermutet hätte. Ein eiskaltes Bier, eine heiße Dusche, 15 Minuten liegen, bis die Füße nicht mehr schmerzen. Auf der Straße treffe ich die beiden deutschen Radler, wir trinken ein Bier miteinander auf der kleinen romantischen Plaza hinter der Kirche. Ich esse
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