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Auf der Sonnenseite - Roman

Auf der Sonnenseite - Roman

Titel: Auf der Sonnenseite - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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umschmieden; ein behördlich verbotener Traum! Wer ihn dennoch nicht aufgeben wollte, wurde rund um die Uhr von der Stasi bespitzelt, musste Drangsalierungen und berufliche Nachteile in Kauf nehmen.
    Eine starre, verhärtete, in Feindschaft verkrustete Welt! Eiszeit auf lange Sicht, wie Lenz befürchtete. Ein Irrtum, den er mit vielen teilte. Seit Hannah und er wieder in Berlin lebten, bekam dieses Eis Risse.
    Es begann mit sechs jungen Leuten, die sich in die OstBerliner US-Botschaft geflüchtet hatten. Fünf Männer und eine Frau wollten auf diese Weise ihre Ausreise in den Westen erzwingen. Westliche Rundfunkreporter berichteten darüber, und Honecker & Co., besorgt um die Reputation ihres Mauerstaates, blieb am Ende nichts anderes übrig, als die sechs ziehen zu lassen.
    Ein Einknicken, das Folgen haben sollte. Denn die fiesen feindlichen Medien berichteten auch über diesen »humanitären Akt« – und eine Lawine brach los. Nun flohen sie auch in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in OstBerlin, die DDR-Bürger, die ohne Gefahr für Leib und Leben ihrem allzu fürsorglichen Staat entkommen wollten; und sie flohen in die bundesdeutschen Botschaften in Prag, Warschau, Budapest und Bukarest. Überall dort, wo Ostdeutsche hindurften, füllten sich die westdeutschen Botschaften. Das ein Vierteljahrhundert lang gesuchte »Loch in der Mauer«, endlich war es gefunden! Mit Taschen und Plastiktüten in den Händen kletterte man über die Zäune der diplomatischen Vertretungen, Kinder wurden hinübergehoben, aus Botschaften wurden Fluchtburgen.
    Hannah und Lenz, oft bei OstBerliner Freunden zu Besuch, spürten die Furcht der in der Heimat Verbliebenen. Wenn das so weiterging, gab es bald nur noch zerrissene Familien. Ja, und würde es eines Tages denn überhaupt noch genügend Ärzte, Ingenieure und Handwerker geben in der verwaisten Republik? Was wurde aus den Alten, wenn die Jugend verschwand? Wie sollte ihr Staat dann noch funktionieren? Der alte Spruch »Der Letzte macht das Licht aus«, sollte der jetzt wirklich wahr werden?
    Die Zaunkönige reagierten immer hilfloser, immer törichter. Im Neuen Deutschland , ihrer Hauspostille, berichtete man von »Betäubten« und »Entführten«, die von westlichen Geheimdiensten gewaltsam außer Landes gebracht worden waren. – Klar! Wer war denn so dumm, freiwillig aus dem Paradies der Werktätigen zu scheiden? – Protesterklärungen gegen diese »bundesdeutschen Machenschaften« wurden veröffentlicht und Sprüche abgesondert wie »Ein Zurück in die kapitalistische Unrechtsgesellschaft gibt es nicht« oder – Originalton Honecker –: »Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.«
    Wolf und Monika konnten über diese Verbohrtheit nur lachen. Weshalb sollten Ochs und Esel denn so dumm sein, diese Art von Sozialismus aufzuhalten? Er raste doch geradewegs auf den Abgrund zu. Doch war es ein bitteres, zorniges Lachen. Wie hohl im Kopf waren doch diese Männer, die sie vierzig Jahre lang regiert hatten! Wie entsetzlich, dass die so einfach ein ganzes Land in Grund und Boden regieren durften!
    Die Westpresse bemühte mal wieder das Wort von der Abstimmung mit den Füßen. Manch ein Bonner Politiker aber erschrak: Würde auf diese Weise etwa die gesamte DDR auslaufen? Wohin mit all den Leuten bei den hohen Arbeitslosenzahlen? Auch waren diplomatische Vertretungen ja keine Auffanglager. Appelle an die ostdeutsche Bevölkerung, doch bitte die legale Ausreise zu beantragen, blieben jedoch ohne Erfolg. Ein solcher Ausreiseantrag war zu unsicher. Und wer hatte denn Lust, für Jahre als Schwarzer Peter gebrandmarkt zu werden? Man berief sich auf die KSZE-Akte, die die Ausreise gestattete, man pochte auf das westdeutsche Grundgesetz, nachdem auch Ostdeutsche deutsche Staatsbürger waren.
    So mussten die Zaunkönige schließlich über diese »Problematik« verhandeln. Und am Ende wurden zwischen den beiden deutschen Staaten Regelungen gefunden, die es Honecker & Co. ermöglichten, einigermaßen das Gesicht zu wahren, aber den sich in den Botschaften befindlichen Ausreisewilligen den Weg in den Westen frei machten.
    Aus Monikas und Wolfs Sicht ein weiterer, tiefer Spatenstich, um das Grab auszuheben, in dem der Oststaat eines Tages verschwinden würde. Doch blieb den Zaunkönigen eine andere Möglichkeit? War ja nichts mehr aufzuhalten. Honecker & Co. folgten Zwängen, die sie nicht beeinflussen konnten. Jener Drei-Fronten-Krieg gegen Gorbatschows

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