Auf der Spur der Vogeljaeger
sie gegangen war, herrschte einen Moment betretene Stille.
»Es braucht natürlich nichts zu bedeuten«, sagte Dr. Reitz, »sondern kann ein dusseliger Zufall sein. Aber es kann auch bedeuten, dass dieser Bursche der rothaarige Wilddieb war und er nicht nur seltene Vögel umbringt, sondern auch andere Tiere, die sich ausstopfen lassen. Zum Beispiel Siamkatzen.«
»Das wäre ja grauenvoll«, flüsterte Gaby. »Ich kann’s einfach nicht glauben. Frau Mühel würde das wie einen Schicksalsschlag empfinden.«
»Es könnte sie umwerfen«, nickte Dr. Reitz. »Wir wollen hoffen, dass wir uns irren.«
»Machen wir uns nichts vor!«, dachte Tarzan. »Dieser Lump hat die Katze umgebracht. Das muss ein regelrechter Tierquäler sein – einer, der Freude daran hat. Oder er ist so abgestumpft, dass er nichts dabei empfindet. Eins ist so schlimm wie das andere. Höchste Zeit, dass der Kerl erwischt wird. Und eine harte Strafe kriegt. Aber leider geht die Rechtsprechung mit Tierquälern sehr behutsam um. Unbegreiflich! Als wären Tiere nicht Lebewesen, sondern Gegenstände. Deshalb – wenn ich den Rotschopf ertappe, bezieht er erst eine Tracht Prügel, an die er sein Leben lang denkt. Das ist zwar Selbstjustiz und laut Rechtsprechung verboten. Aber das nehme ich gern auf mich. Deshalb kriegt mein Gewissen kein Bauchweh. Wenn ich so einen vermöbelt habe, schlafe ich noch besser als sonst.«
Er fühlte kalte Wut bis zum Hals. Auch seine Freunde schauten, als hätten sie eben das Kriegsbeil ausgegraben.
Als sie sich verabschiedeten, sagte Dr. Reitz, sie möchten ihn doch bitte auf dem Laufenden halten. Offenbar traute er ihnen zu, dass sie etwas herausfänden.
Eine Weile radelten sie schweigend durch die Stadt.
Klößchen, der wie üblich das Schlusslicht bildete, meinte dann, die Hitze sei unerträglich. Und wenn er nicht sofort einen riesigen Eisbecher bekäme, würde er innerlich schmelzen. Natürlich übertrieb er, denn es war zwar sehr warm, aber lange nicht so heiß, wie Klößchen tat.
»Außerdem lade ich euch ein. Schließlich ist das immer noch mein Geburtstag.«
Sie hielten vor einem italienischen Eiscafé. Ein kleiner Kaffeegarten quetschte sich zwischen zwei Häuser. Rote Sonnenschirme spendeten Schatten für die Tische. Nahezu alle waren leer. Nur ein korpulenter Mann saß hinter seinem Bierkrug. Er hatte seinen Bauch auf den Knien und ein hochrotes Gesicht, das er immer wieder mit dem Taschentuch abtupfte.
Die Kinder setzten sich. Bei der Serviererin bestellten sie Eisbecher, nur Tarzan wollte Cola.
Gaby schob die Brauen zusammen und ballte ihre schmalen Hände zur Faust.
»Kann jemand so gemein sein, dass er einer alten Frau die Katze stiehlt, sie tötet und ausstopfen lässt!«
»Man möchte es nicht wahrhaben«, sagte Tarzan. »Aber die Wirklichkeit ist so. Armes Paulinchen!« Zu Karl gewandt, fragte er: »Weißt du, was braunspitzig bedeutet?«
»Klar.« Hinter der Nickelbrille begannen Karls Augen zu leuchten. Endlich sah er eine Gelegenheit, sein Computer- Gehirn zu beweisen.
»Vorausschicken muss ich«, sagte er: »Die Siamkatze kommt aus Thailand. Sie hat ein gelbliches oder hellbraunes Fell. Die Farbe von Füßen, Ohrspitzen, Schwanz und Schnauze ist entweder braun oder graublau. Wegen dieser Unterschiede spricht man von braun- oder blauspitzig. Die Jungen der Siamkatze sind bei Geburt weiß, färben sich aber innerhalb eines Jahres ein. Die Siamkatze neigt auch dazu, ein dunkleres Fell anzunehmen, wenn sie unter kälteren klimatischen Bedingungen gehalten wird. Ihre Stimme ist tief, fast heiser.«
Tarzan nickte. Die Auskunft reichte ihm.
Aber Klößchen beging die Unvorsichtigkeit, Karl anzuheizen, indem er fragte: »Es gibt doch mehrere Katzenarten, nicht wahr?«
»Über 50. Die Hauskatze gehört ebenso dazu wie der sibirische Tiger. Der wird drei Meter lang und viereinhalb Zentner schwer. In jedem Land der Erde, von den tropischen Dschungelgebieten bis zur Arktis, mit Ausnahme von Australien und Madagaskar, gibt es eine oder mehrere wilde Katzenarten von unterschiedlicher Größe. Alle haben gemeinsame Eigenschaften. Zum Beispiel gleicht das Verhalten der getigerten Hauskatze dem des Tigers.«
Die Serviererin brachte die Eisbecher und Tarzans Cola.
Mit einem triumphierenden Schmatzlaut stieß Klößchen seinen Löffel durch die Sahne in eine Schokoladenkugel.
Karl beachtete seinen Becher gar nicht, sondern fuhr mit den Erklärungen fort, kaum dass die Serviererin den Rücken gewandt
Weitere Kostenlose Bücher