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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Petermann
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verletzte Opfer noch handlungsfähig gewesen sein, bis er ohnmächtig zu Boden stürzte und starb. Abgesehen von der tödlichen Arterienverletzung konnten die Rechtsmediziner bei Tom Howe keine krankhaften Befunde erheben. Zumindest nicht ohne weitergehende feingewebliche Analysen der inneren Organe.
    Das Projektil fand sich im Rückenbereich des Toten unmittelbar unter der Haut. Dass es sich um einen sogenannten Steckschuss handelte, bei dem die Kugel im Körper stecken bleibt, hatte uns ja bereits die fehlende Austrittswunde verraten. Die spätere Untersuchung in der Ballistik , wie die waffentechnische Abteilung heißt, identifizierte das Projektil als ein Wadcutter-Bleigeschoss mit einem Durchmesser von 8,8 mm und einem Gewicht von 9,38 Gramm. Wadcutter-Munition hat im Unterschied zu herkömmlicher Munition, die meist eine abgerundete Spitze besitzt, einen flachen Kopf. Sie wird beispielsweise von Sportschützen benutzt, wenn sie aus kurzer Entfernung auf Papier-oder Pappscheiben schießen, und ermöglicht klar abgegrenzte Trefferbilder. Da das Projektil sehr tief in die Patronenhülse eingesetzt ist und dadurch weniger Platz bietet, enthält die Hülse einen geringeren Treibladungsanteil als normal. Dieser Umstand dürfte auch dazu geführt haben, dass das Projektil wegen seiner geringen Bewegungsenergie den Körper nicht vollständig durchdringen konnte und sich in der Rückenmuskulatur verfing.
    Zudem wies das nicht verformte Projektil spezifische Verfeuerungsspuren auf: Es war aus einer Waffe mit Rechtsdrall und fünf Zügen und Feldern, vermutlich einem Revolver Kaliber .38 Special abgefeuert worden. Diese Aussage war wichtig für uns, denn damit gab es gute Chancen, dass sich das im Körper von Tom Howe gefundene Projektil einer bestimmten Waffe zuordnen lassen würde.
    Jeder Schuss hinterlässt individuelle Spuren an der Waffe, an der Munition, am Schützen und am getroffenen Objekt. An dem im Körper von Tom Howe gefundenen Projektil hatten die Trommel und der Lauf des beim Schuss benutzten Revolvers markante Spuren hinterlassen. Bevor eine Patrone abgefeuert wird, lagert diese in der Revolvertrommel oder bei Pistolen im Patronenlager.
    Wird nun der Abzug der Waffe durchgedrückt, schlägt ihr Schlagbolzen gegen den Hülsenboden und trifft dort auf das vorhandene Zündhütchen, wodurch die Treibladung gezündet wird. Die expandierenden Gase treiben das Projektil durch den Lauf, und es erhält durch die mechanisch erzeugten Züge und Felder seine Drallrichtung und Flugstabilität. Da das Projektil einen leicht größeren Durchmesser als der Lauf hat, pressen sich die Züge und Felder als Muster in das weichere Metall des Projektils. Anhand des Spurenbilds können Ballistiker das Waffensystem benennen und das Geschoss einer bestimmten Waffe zuordnen.
    Während ich die Spuren am Tatort und an der Leiche aufgenommen hatte, hatten meine Kollegen versucht, mehr über den toten Bahnreisenden zu erfahren.
    In einer Fallbesprechung erstatteten sie uns Bericht: Tom Howe hatte gemeinsam mit seiner Familie in einem kleinen Ort südlich von Bremen gelebt. Bis Anfang der achtziger Jahre, als bei ihm eine schwere Erkrankung festgestellt wurde, war er als hochrangiger Soldat bei der US-Army beschäftigt und als GI im Vietnamkrieg gewesen. Weiterhin gab es nicht mehr nachprüfbare Aussagen, er sei während eines Auslandseinsatzes ungeschützt Giftgas ausgesetzt gewesen.
    Nach der Entdeckung seiner Krankheit musste Tom Howe den aktiven Dienst quittieren, fand jedoch eine Anstellung als ziviler Verwaltungschef in einem Militärhospital der Army. Als sich Ende der 80er Jahre die politische Weltlage nach dem Fall der Berliner Mauer und der Zerschlagung des Warschauer Paktes veränderte, wurden viele Standorte ausländischer Streitkräfte in Deutschland aufgelöst. So musste auch das Hospital von Tom Howe schließen. Er wurde nach Süddeutschland versetzt und bekam dort ebenfalls eine verantwortliche Position im Sanitätsbereich übertragen. Seither war er wöchentlich mit dem Zug zwischen seiner Arbeitsstelle und Bremen gependelt. Während seiner Militärlaufbahn ließ sich Tom Howe zum »Physician Assistant« ausbilden. Die Qualifizierung als Sanitäter erlaubte es ihm unter anderem, selbst kleinere Operationen durchzuführen.
    Ich erfuhr außerdem, dass Tom Howe nach Angaben seiner Frau kaum Kontakt außerhalb seiner Familie gepflegt hatte und privat nicht im Besitz einer Schusswaffe gewesen war. Vor einigen Jahren hatte

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