Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Schussabgabe entstehen durch das Zünden des Treibpulvers in der Patrone Gase, die mit sehr hohem Druck aus der Laufmündung und anderen Waffenöffnungen entweichen. Bei einem Revolver zum Beispiel zwischen dem Laufende und der Trommel für die Patronen. Deshalb kommt es je nach Waffentyp bei der Schussabgabe zu unterschiedlichen Schmauchbildern an den Händen: Die winzigen Partikel bilden ein individuelles Verteilungsmuster, das unter einem Rasterelektronenmikroskop zum Vorschein kommt. Das gefundene Verteilungsmuster lässt Rückschlüsse auf ein bestimmtes Waffensystem und die benutzte Munition zu. Zudem kann eine Hand mit solchen Rückständen als Schusshand ausgemacht werden.
Als Nächstes mussten von der Leiche die Fingernagelüberstände gesichert werden, da sich an ihnen Gewebe oder Blut des Täters sowie Fasern befinden konnten, sofern sich Tom Howe beim Überfall gewehrt hatte. Dann nahm der Spurensucher zur eindeutigen Identifizierung des Toten und für den daktyloskopischen Abgleich mit am Tatort gesicherten Spuren Abdrücke von den Fingerkuppen (den Fingerbeeren , wie sie bei den Daktyloskopen heißen) und den Handflächen der Leiche, zupfte aus verschiedenen Bereichen des Kopfes Haare und ließ sich vom Rechtsmediziner Blut für die Bestimmung der Blutgruppenmerkmale – als der Fall sich ereignete, gab es die heute gängige DNA-Untersuchung noch nicht – und zur toxikologischen Untersuchung geben: Alkohol, Betäubungsmittel, Medikamente. Auch dies war eine Routinemaßnahme, denn für die Rekonstruktion eines Verbrechens ist es wichtig zu wissen, ob ein Opfer bei der Tat voll handlungsfähig oder beeinträchtigt war. Doch im Blut von Tom Howe fand sich kein Hinweis, dass er zum Zeitpunkt seines Todes durch eine oder mehrere dieser Substanzen beeinflusst war.
Zusammen mit dem Obduzenten untersuchte ich die Hose des Toten auf blutige Bereiche, Schmutz und Beschädigungen – ergebnislos – und ließ die Kleidungsstücke für eventuelle kriminaltechnische Untersuchungen einzeln in Papiertüten verpacken. Die Tüten sind deshalb aus Papier, weil sich in luftundurchlässigen Plastiktüten schnell Bakterien bilden, die auf der Kleidung vorhandene serologische Spuren vernichten können.
Jede Obduktion beginnt mit der äußeren Leichenschau: Größe, Gewicht, Ernährungs-und Pflegezustand, Auffälligkeiten wie Tätowierungen oder Narben. Narben an den Unterarmen oder am Hals sind oft ein Hinweis auf frühere Suizidversuche. Bei Tom Howe fanden sich keine.
Ich interessierte mich hauptsächlich dafür, ob der Tote frische Verletzungen aufwies. Aus denen ließe sich ableiten, unter welchen Umständen der Mann gestorben war und ob er sich vor seinem Tod gewehrt hatte oder nicht. Um Tatumstände und genaue Todesursache feststellen zu können, werden bei einer gerichtlichen Sektion von den Obduzenten die drei Körperhöhlen eines Menschen geöffnet und untersucht: Kopf, Brust und Bauch.
Bei der Obduktion notierte ich handschriftlich auf meinem Stenoblock, den ich immer dabeihabe, folgende wesentliche Befunde:
behaarter Kopf, Gesicht, Rücken, Arme, Hände und Beine sind unauffällig und ohne Verletzungen – abgesehen von dem Einschuss. An der rechten Brustseite des Toten befindet sich eine queroval verlaufende, sternförmig aufgeplatzte 1,2 × 1 cm große Einschusswunde, im Bereich 5 und 11 Uhr (bei der Lokalisation von Auffälligkeiten werden diese gedanklich auf das Ziffernblatt einer Uhr übertragen) mit schwärzlichen Schmauch-und Pulverrückständen sowie einem Kontusionsring (ringförmige Hautunterblutung) 145 cm oberhalb des Fußes und 4 cm rechts neben der Brustmittellinie.
Die Präparation der Verletzung ergab, dass der Einschusskanal leicht schräg absteigend durch den Körper verläuft und den rechten Lungenober-und Mittellappen verletzt hat. Weiterhin ist es zu einer Gefäßverletzung des Truncus pulmonalis (eines herznahen großen Arterienstamms, der sauerstoffarmes Blut vom rechten Herzen zur Lunge transportiert) gekommen, was zu einem Blutverlust von über 2 Litern führte.
Letztendlich tödlich war die festgestellte Arterienverletzung, denn durch sie hatte Tom Howe fast die Hälfte seines im Körper zirkulierenden Blutes verloren. Sein Gehirn bekam nicht ausreichend Sauerstoff, mit dem das Blut angereichert ist, und konnte deshalb die lebensnotwendigen Funktionen nicht mehr wahrnehmen. Doch sein Tod trat nicht sofort, sondern schleichend ein. Für eine gewisse Zeit dürfte das tödlich
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