Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Diagnostics mit der Untersuchung der Tatortspur. Erst nach dieser Analyse wollte ich entscheiden, was mit Fritz Henkel passieren sollte. Allerdings sollte es noch mehrere Wochen dauern, bis das DNA-Ergebnis vorlag.
In der Zwischenzeit verdichtete sich der Verdacht gegen Fritz Henkel weiter. Die erweiterten Faseruntersuchungen waren abgeschlossen, mit dem Resultat, dass seine Jeanshose »mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit« als Spurenleger für die Fasern an der Kleidung von Wilhelmine Heuer in Betracht kam. Das Bremer Landeskriminalamt verwendet eine Befundbewertungsskala bei der Untersuchung von Formspuren, die in sechs Kategorien von »steht fest« bis »ist auszuschließen« eingeteilt ist. Darauf übertragen lag das Analyseergebnis in der zweithöchsten Kategorie unmittelbar hinter der eindeutigen Identifizierung. Laut Bericht waren auch drei violette Polyacrylfasern auf seiner Jeans und rote Baumwollfasern an Fritz Henkels Sofadecke gefunden worden. Außerdem war an der Unterhose von Wilhelmine Heuer das Haar eines kurzhaarigen Hundes gefunden worden, das der Länge und Pigmentierung nach mit auf der Sofadecke gefundenen Hundehaaren übereinstimmte – also vom selben Tier stammen konnte.
Während unserer Ermittlungen tat Fritz Henkel außerdem einiges, um sich zusätzlich verdächtig zu machen. So rief er aus einer Telefonzelle anonym bei der Polizei an und bezichtigte seinen Sohn des Mordes an der Ladenbesitzerin. Ein Stimmenvergleich identifizierte ihn zweifelsfrei, trotzdem bestritt er hartnäckig den Anruf. Doch auch ohne den Beleg, dass Fritz Henkel aktiv von sich als Täter ablenken wollte, war die Indizienkette gegen ihn inzwischen sehr lang:
Blutgruppe AB mit identischen Untergruppen
die an der Kleidung des Opfers gesicherten Fasern waren von denen an seiner Hose und weiteren in seiner Wohnung gefundenen nicht zu unterscheiden das an der Unterhose des Opfers gefundene Hundehaar zeigte Übereinstimmungen mit Haaren aus seiner Wohnung
Wilhelmine Heuer und er kannten sich gut: Stammkunde, hohe Schulden, Einkäufe nach Feierabend
für die Tatzeit nur ein eingeschränktes Alibi von einer halben bis drei viertel Stunde; Zeit genug, um trotz seiner Trunkenheit die wenigen Meter von seiner Wohnung bis zum Laden zurückzulegen und die Frau zu töten
impulsives und aggressives Verhalten in eskalierenden Situationen; spontane Ausbrüche von Gewalt
Das »i-Tüpfelchen« für den endgültigen Beweis erhoffte ich mir von der Untersuchung in England: die Übereinstimmung seines DNA-Profils mit der Spermaspur.
Doch es kam alles anders: Fast drei Monate nachdem ich die Untersuchung in Auftrag gegeben hatte, lag das Analyseergebnis vor. Heute dauert das Verfahren übrigens nur noch circa 48 Stunden. In knappen Worten teilte das Institut mit, dass Fritz Henkel als »Quelle des Samens« auszuschließen war. Als Beweis für die Aussage war die Kopie des Röntgenfilms mit den abweichenden DNA-Banden beigefügt.
Ich schaute mir die dunkle und verschwommene Fotokopie des Röntgenfilms an, in dessen Mitte zwei etwa acht Zentimeter lange senkrechte Balken mit unterschiedlich hohen und breiten Banden abgebildet waren. Beide Balken waren mit jeweils zwei in unterschiedlicher Höhe eingezeichneten Pfeilen gekennzeichnet. Die Pfeile markierten unterschiedliche Banden und wiesen darauf hin, dass die verglichenen DNA-Merkmale nicht identisch waren, sondern von zwei Personen stammten. Das sollte also Fritz Henkels Unschuld beweisen.
Ich mochte es nicht glauben, da das Resultat vollkommen im Widerspruch zu den anderen Untersuchungsergebnissen stand. Konnte das wirklich sein? Ich setzte mich mit den Wissenschaftlern in Verbindung, die sich um die Blutgruppenbestimmung des bei Wilhelmine Heuer gesicherten Spermas gekümmert hatten. Auch bei ihnen sorgte das DNA-Resultat für Verwunderung, allerdings aus anderem Grund. Die Wissenschaftler waren davon ausgegangen, dass die im Gutachten erwähnte und für eine Untersuchung notwendige Menge DNA überhaupt nur hätte extrahiert werden können, wenn in der Spur zigtausende von Spermienköpfen vorhanden gewesen wären. Tatsächlich waren im Mikroskop nur wenige hundert Spermien beobachtet worden. Mit dieser Aussage begann ich, das Ergebnis aus England zu hinterfragen.
Wieder vergingen Wochen, bis Resultate vorlagen: Die englischen Wissenschaftler waren bei ihrer Analyse tatsächlich von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Die Antragung auf dem Rock hatten sie irrtümlich für eine
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