Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
einen Trinker aus mir.« Da seine »Ermahnungen« keinen Erfolg zeigen und Erna Rosen weiterhin zur Flasche greift, schlägt und tritt Bertold Heindel zu – und das nicht nur ein Mal. Mehrmals muss die zierliche und schwächliche Frau stationär im Krankenhaus behandelt werden, doch ihre Anzeigen gegen den jüngeren Mann nimmt sie immer wieder zurück.
Eines Tages kommt Bertold Heindel gegen Mittag von der Arbeit nach Hause. Er hat Fisch »bestellt« . Doch statt Mittagessen gekocht zu haben, schläft Erna Rosen wieder einmal ihren Rausch aus. Wütend verlässt er die Wohnung und zecht bis Mitternacht in seiner Stammkneipe. Als Bertold Heindel zurückkehrt, ist Erna Rosen zwar wach und ansprechbar, doch gekocht hat sie immer noch nicht. Stattdessen bietet sie ihm eine Flasche Bier an, um ihn zu besänftigen. Jetzt ist Bertold Heindel »erst recht sauer«, empfindet ihre Offerte als »Provokation« und »langt hin«. Voller Ärger sucht er erneut seine Stammkneipe auf. Nach vier Stunden hat er genug getrunken: »Ich hatte bestimmt keinen Streit im Sinn, doch dann hat sie mich angepöbelt. Da habe ich zugeschlagen – vielleicht auch mit einer Bierflasche. Was dann passiert ist, weiß ich nicht mehr. Zuletzt saß sie im Sessel und war verletzt.«
Bertold Heindel bleibt nach der Tat noch einige Stunden in der Wohnung und legt sich ins Bett. Dann geht er zu einer früheren Geliebten und beichtet ihr die Tat: »Ich habe die Erna geschlagen und totgemacht.«
Allerdings ist dieses Geständnis nur ein Bruchteil der Wahrheit. Der Tatort zeigte ein Bild extremer Gewalt. Bereits der Anblick der Toten und die Blutspuren in allen Räumen zeugten von der Brutalität des Tathergangs, der sich durch Tatortspuren und Obduktion der Leiche rekonstruieren ließ:
Bertold Heindel prügelt die hilflose Frau durch die Wohnung, schlägt ihr mit seinen Fäusten und einer Flasche das Gesicht zu einer breiigen Masse und zerschmettert ihren Brustkorb mit einer Serie von Tritten.
Anschließend schleift der Mann die Schwerverletzte ins Wohnzimmer, steckt ihr eine brennende Zigarette zwischen die Finger, schiebt ihr Kleid hoch und zieht ihr die Unterhose aus. Dann spreizt er ihre Beine weit auseinander, drückt ihr ein dünnwandiges Trinkglas in die Vagina und stellt eine leere Bierflasche neben ihrem Oberkörper ab. Erst danach legt er sich ins Bett und schläft seinen Rausch aus. Erna Rosen stirbt qualvoll an einer Kombination aus langsamem Verbluten und einer Luftembolie. Als Bertold Heindel gegen Mittag schließlich aufwacht, deckt er die Leiche von Erna Rosen mit Tüchern ab. »Hab mich gefragt, ob ich das mit Erna war. Muss ja wohl. Konnte nicht mehr ansehen, was ich da gemacht hab.«
Ohne die Erkenntnisse der Fallanalyse würde sich sicher manchem Ermittler die Bedeutung der einzelnen Handlungen bei der Tat von Bertold Heindel nicht erschließen. Zumal das ungewöhnliche Ausmaß an Gewalt ein Differenzieren und Analysieren nur dann zulassen, wenn die einzelnen Entscheidungen des Täters zunächst für sich bewertet und dann zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden.
Beim Betrachten der Tatortfotos wurde mir bewusst, dass die extreme Gewalt und die anschließenden Handlungen von Bertold Heindel als eine Reaktion auf das in seinen Augen » verabscheuungswürdige « Verhalten von Erna Rosen zu bewerten sind. Ob Erna Rosen tatsächlich ein so »verabscheuungswürdiges« Leben führte oder nicht, ist dabei unerheblich: Wichtig bei der Interpretation von Verhalten ist der Umstand, wie es der Täter bei der Tat empfand. Es sind symbolische Handlungen, mit denen Bertold Heindel alles Negative ausdrücken wollte, was Erna Rosen für ihn verkörperte und wie er es in seiner Vernehmung bei meinen Kollegen mit den Worten »Saufen, Rauchen, Rumhuren« unbewusst beschrieben hatte.
Solches Täterverhalten wird in der Fallanalyse auch als Personifizierung bezeichnet: die Umsetzung von besonderen Bedürfnissen, in diesem Fall die Erniedrigung von Erna Rosen . Entsprechend spiegelt der Tathergang eine Kombination aus Depersonifizierung (Zerschlagen des Gesichts), Dominanz (durch die Wohnung prügeln, Zerschmettern des Brustkorbs als Zeichen körperlicher Überlegenheit), Degradierung (das Glas in der Vagina, die zwischen die Finger gesteckte Zigarette und die neben der Leiche platzierte Bierflasche) und Distanzierung vom Verbrechen (sich nach der Tat in aller Ruhe schlafen legen und das Abdecken der Leiche) wider.
Als Bertold Heindel bei seiner
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