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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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ist. Und vergiss nicht, das erste Opfer muss innerhalb der nächsten zwölf Monate sterben«, mahnte er mich noch einmal.
    »Kein Problem.« Ich lachte auf.
    Er verschwand.
     
    * * *
     
    Wieder saß ich im dunklen Zimmer und rauchte eine Zigarette. Und wieder hatte ich Angst. Draußen hörte ich herrenlose Hunde heulen und die vom stürmischen Wind hin und her geschüttelten trockenen Äste knacken. Der Mond war nicht zu sehen. Dichte Wolken rasten, vom Wind gepeitscht, nach Westen. Ein Gewitter zog auf. Zwischen dem Himmel und dem Horizont zuckten Blitze.
    Ich drückte die Zigarette aus. Vor dem Hintergrund der Wand erblickte ich eine vermummte Silhouette.
    »Hast du ihn? Hast du ihn mitgebracht?«, schrie ich auf.
    Wortlos legte er ein in schwarzes Material gewickeltes Bündel auf den Tisch. Ich griff schnell danach und zerriss die Schnur, mit der es umwunden war. In der Hand hielt ich einen Dolch, der wie eine gerade gebogene Sichel lang und wie ein Laserstrahl schmal war. Er schimmerte im Dunkel leicht. Meine Finger umklammerten den Griff fester.
    »Ich erzähle dir, wie er geschaffen wurde«, brummelte er. »Deinen Auftrag haben blinde Zwerge ausgeführt. Sie schmiedeten die Klinge aus einem Stück Meteorit. In ihrer Werkstatt im Innern eines Vulkans arbeiteten sie sechs Nächte lang daran.« Seine Stimme verfiel ins Flüstern. »In die Klinge wurde ein Rinnchen eingearbeitet, durch das ein Gift fließt. Ich habe es aus meinem Blut, dem Samen eines unschuldig Gehenkten, dem Skorpion- und Schlangengift zusammengebraut, dann noch zu Pulver gemahlene Eckzähne eines tollwütigen Hundes, Krallen eines Geiers, die Spitze der Lanze des römischen Soldaten, Splitter des Steines eines Ertrunkenen, ein weißes Pulver, das nach bitteren Mandeln riecht, den Schmutz aus dem Beil eines Henkers und der Sense des Knochenmanns, den Rost von drei Nägeln, indianische Giftkräuter und ein paar Fäden aus dem Hemd eines Pestgestorbenen hinzugefügt. Diese Mischung wird jeden töten«, erzählte er, und mir liefen kalte Schauder den Rücken hinunter.
    »Das Gift reicht aber nur für einen einzigen Stich«, zischte er.
    »In Ordnung. Bevor du gehst, möchte ich dir aber noch eine Frage stellen.« Die Worte blieben mir fast in der Kehle stecken.
    »Was noch?«, krächzte er.
    »Wie viele von euch gibt es da unten?«, fragte ich mit heiserer Stimme.
    »Nur mich. Der Rest ist wie du.«
    »Es gibt also nur einen Satan?«
    »Genau.«
    Mit einer blitzschnellen Bewegung rammte ich ihm den Dolch in die Brust. Direkt ins Herz. Ich stemmte mich gegen den Knauf so lange, bis die Spitze auf der anderen Seite wieder rauskam.
    Er stöhnte und sein Körper wurde von einem heftigen Zittern erfasst.
    Links in meiner Brust spürte ich plötzlich einen so starken Schmerz, dass ich aufbrüllte.
    Er zappelte und röchelte. Unvermittelt verwandelte er sich in einen großen schwarzen Kater, der laut miaute und blutete. Er schlug mit seinen Krallen nach mir.
    Ich sprang zurück und lehnte mich an die Wand.
    Der Schmerz in der Brust ließ zwar etwas nach, doch er pulsierte nach wie vor in mir.
    Der Satan ging inzwischen eine Reihe von Metamorphosen durch. Mal war er eine Fledermaus mit langen, scharfen Zähnen, mal ein Rabe, der mit den Flügeln um sich schlug. Schwarze Federn tanzten in der Luft.
    Ich schloss die Augen.
    Als ich sie wieder öffnete, erblickte ich eine Spinne, deren Beine ratlos zappelten. Sie verwandelte sich in eine Riesenschlange, rollte ihren Körper aus und wurde zu einem Hai.
    Und so blieb er auch schließlich reglos liegen. In der Mitte meines Zimmers.
    Ein Hai in einer Lache von Blut verschiedener Tiere. Darauf schwammen schwarze Federn.
    Die Kiemen des Hais zitterten noch einmal kurz, dann erstarrten sie.
    Er war tot. Mein Plan war also doch aufgegangen.
    Ich näherte mich dem Fischkadaver und hockte mich hin.
    Aus seiner Seite ragte ein silberner Griff heraus. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und zündete eine Zigarette an. Ich ging auf den Balkon hinaus.
    Es begann schon zu dämmern. Der Himmel wurde grau. Irgendwo in der Ferne krähte ein Hahn drei Mal. Drei Mal nacheinander, praktisch ohne Pausen dazwischen.
    Das Unwetter war an der Stadt vorbeigezogen, und der Wind hatte sich gelegt. Der Himmel war klar. Die Sterne waren fast alle schon verschwunden.
    Den Schmerz in der Brust spürte ich noch.
    Mein Blick wanderte nach unten, auf die Straße, die sich neun Stockwerke unter mir

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