Auf der Straße nach Oodnadatta
grob gesehen in west-östliche Richtung verliefen, und ich bog einfach auf gut Glück nach Westen ab. Aus Gewohnheit stellte ich den Tageskilometerzähler auf Null. Das Gelände war flach und mit dem Off-Roader gut zu befahren, aber irgendwie hatte ich wohl den Strzelecki Track verpasst. Es machte aber keinen Unterschied.
Nach einer halben Stunde und fünfzehn zurückgelegten Kilometern kam ich an die Stelle, wo sich der Cooper Creek in zwei Arme teilte, die in einem weiten Bogen auseinander strebten und sich drei Kilometer weiter flussabwärts wieder vereinigten. Das ist die Stelle, an der die Cordillo Road, auch nicht mehr als eine staubige Buckelpiste, den Fluss überquert. Gegenüber der Furt, auf einem erhöhten Plateau lag die Innamincka-Station. Eine Kneipe, eine Tankstelle mit angeschlossenem Laden für das Nötigste, ein Hotel und weiter draußen eine Landebahn für Buschpiloten. Vielmehr sollte sie dort liegen. Zumindest gestern lag die Station noch da. Heute sah auf einmal alles anders aus. Die Landschaft war noch ziemlich unverändert, doch eigentlich sollten direkt vor mir, am Flussufer, bunte Plastikzelte und einige Autos stehen. Aber vor mir breitete sich nur der Cooper Creek aus und sonst nichts. Es wäre Blödsinn gewesen, wenn ich mir eingeredet hätte, nicht an der richtigen Stelle zu sein. Natürlich konnten alle im Laufe des Vormittags, die Uhr im Armaturenbrett zeigte kurz nach Mittag, abgereist sein, doch das war eher unwahrscheinlich.
Ich stellte den Motor ab und stieg aus. Aus Gewohnheit warf ich einen kurzen Blick auf die Ladefläche; da war alles in Ordnung. Dann richtete ich meinen Blick auf den sanft ansteigenden Hügel, wo eigentlich die niedrigen Gebäude von Innamincka stehen mussten. Er war bis auf ein paar Büsche und einige schmächtige Eukalyptusbäume kahl. Jungfräulich sozusagen; von Menschenhand unberührt. Trotzdem erkannte ich die Stelle, an der ich mich befand, wieder. Hier musste Innamincka sein. Ich steckte mir eine Zigarette an und fluchte. Dann öffnete ich die Beifahrertür und holte die Westprint-Karte vom Bereich Innamincka und den Coongie Lakes heraus. Ich breitete sie auf der Kühlerhaube aus und studierte sie genau. Es gab keinen Zweifel, ich befand mich da, wo ich glaubte mich zu befinden. Zur Sicherheit zog ich auch noch mein Satellitennavigationsgerät zu Rate. Das graue LCD-Display, auf dem sonst bis auf die Bogensekunde genau die Position in Längen- und Breitengraden erschien, zeigte den entmutigenden Schriftzug No Rezeption, was schlichtweg nicht sein konnte. Ich schaltete es aus und wieder an. Mit dem gleichen Erfolg, und mir wurde bewusst, was Murphys Law wirklich bedeutete. Eigentlich nicht sonderlich über den Ausfall des Geräts beunruhigt, steckte ich es wieder in die Halterung am Armaturenbrett. Ich wusste ja, wo ich war. Das Einzige, was ich nicht wusste, war, was, in Teufels Namen, los sein mochte.
Eine halbe Stunde später stand mein Wagen dort, wo eigentlich Innamincka hätte sein müssen, und ich saß im dürftigen Schatten eines Eukalyptus und trank ein Bier. Der naheliegendste Gedanke war mir natürlich auch schon gekommen, aber ich war noch nicht bereit ihn zu akzeptieren, und suchte verzweifelt nach einer anderen Möglichkeit, die Sache zu erklären. Wenn meine drei Besucher heute Morgen wirklich Teilnehmer der Burke und Wills Expedition waren und Innamincka Station verschwunden war, dann hatten nicht sie sich in der Zeit verirrt, sondern ich. Damit gewann dieser schlechte Scherz, von wem auch immer, eine wirklich bedrohliche Dimension. Ich saß hier mitten im Nirgendwo, wie man in Australien sagt, hatte nur noch wenig Sprit für ein Fahrzeug, das mehr als nur ein Antagonismus war, und keine Ahnung, was ich tun konnte. Nicht nur das Auto, sondern so ziemlich alles, was ich mit mir führte, passte überhaupt nicht in die Zeit. Umgekehrt wäre es viel einfacher gewesen. Meine drei Freunde hätten ein bisschen gestaunt, sich aber wahrscheinlich schnell damit abgefunden, dass die Welt, in die es sie verschlagen hatte, etwas weiter entwickelt war. Schließlich wären sie über hundert Jahre in die Zukunft geraten. Die Wissenschaftler hätten wohl auch schnell eine Erklärung für das Phänomen gefunden, die wahrscheinlich sowieso niemand verstanden hätte, aber in Anbetracht der Tatsache, dass heute, wohl eher in einhundertdreißig Jahren, wenn meine Überlegungen zutrafen, selbst der durchschnittliche Fernsehkonsument an die Existenz von
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