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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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dahin waren es weit über sechshundert Kilometer, und ich bezweifelte, dass die Tracks und Straßen, die in meiner Karte verzeichnet waren, im Jahre 1861 schon existierten. Es war besser, ich ginge davon aus, dass nichts existierte. Eigentlich war es auch egal. Mit oder ohne Track, Broken Hill lag weit außerhalb der Reichweite meines Spritvorrats. Ich überschlug im Kopf, wie viel mir noch zur Verfügung stand. Der Tankanzeiger stand knapp unter viertel voll, sagen wir bestenfalls zwanzig Liter. Zusammen mit den beiden Reservekanistern von je zwanzig Litern hatte ich noch sechzig Liter Diesel zur Verfügung. Das ergab eine Reichweite von ungefähr vierhundert Kilometern. Eher weniger, wenn ich vom Fehlen jeglicher Wege ausging. Ich schaute auf die Karte und schlug anhand des Maßstabs einen Kreis um Innamincka. Den Strzelecki Track hinunter nach Lyndhurst oder südöstlich nach Tibooburra. Ich nahm wieder mein Outback Manual zur Hand und schlug nach. Weder Lyndhurst noch Tibooburra existieren zur Zeit der Burke und Wills Expedition, und der Strzelecki Track schon mal gar nicht. Menindee, am gleichnamigen See, siebenhundert Kilometer südlich von hier und das Basiscamp der Burke Expedition, war wohl der nördlichste Vorposten der Zivilisation. Absolut unmöglich für mich, diesen Punkt zu erreichen. Und selbst dort wäre ich noch ein ganzes Stück von größeren Ansiedlungen wie Adelaide oder Melbourne entfernt. Was ich überhaupt dort wollte, war mir nicht klar, aber eines war sicher, hier in der Wildnis hatte ich keine Chance zu überleben. Hätte ich gleich gestern in Innamincka vollgetankt, wäre Broken Hill, eine Bergbausiedlung, die auch schon zu dieser Zeit existierte und sicher auch Verbindung zur Küste hatte, im Bereich des Erreichbaren gewesen. Aber so … Ich schüttelte ratlos den Kopf und spürte, wie sich eine gehörige Portion Verzweiflung in mir breitmachte. Ganz kurz spekulierte ich darauf, dass dies alles nur ein böser Traum war und ich aufwachen würde – und die Welt wäre wieder so, wie ich sie kannte.
    Ein anderes Problem waren die Lebensmittel. Wo es keinen Sprit gab, gab es auch keine Nudeln oder Reis, kein Brot, keine Fisch- oder Gemüsekonserven und ganz bestimmt kein tiefgefrorenes Fleisch. Ich brauchte nicht lange nachzudenken, um zu dem realistischen Ergebnis zu kommen, dass meine Lebensmittel bestenfalls eine Woche reichen würden. Danach konnte ich meine Angel in den Cooper Creek hängen und mit dem Gewehr den Kängurus nachstellen. Nicht gerade erhebende Aussichten. Zum Glück hatte es mich nicht mitten in der Simpson Dessert erwischt. Wasser würde jedenfalls kein Problem sein. Inzwischen brannte die Sonne auf den Hang, und ich beschloss, mir unten am Fluss ein schattiges Plätzchen zu suchen, wo ich mich für die Nacht und die nächsten Tage einrichten konnte. Als der Motor mit seinem sonst so beruhigenden Dröhnen ansprang, kam mir das Geräusch seltsam fremd in der veränderten Welt vor. Ich suchte mir in dem unebenen Gelände einen Weg hinunter zum Fluss, scheuchte bei meiner Ankunft ein paar Reiher auf und fand schließlich eine schattige Stelle unter ein paar hohen Bäumen, etwa zwei Meter über der Wasserlinie.
     
    Ich hatte weder gut, noch ziemlich viel geschlafen, als es am nächsten Morgen hell wurde. Über mir wölbten sich die graugrünen Kronen der Eukalyptusbäume, zwischen die ich gestern meinen Wagen manövriert hatte, und vereinzelt waren schon die ersten Vogellaute zu vernehmen. Sonst, so schien es, hatte sich leider nichts verändert. Ich lauschte angestrengt auf irgendwelche Laute der Zivilisation. Worte von anderen Campern, Klappern von Kochgeschirr, das Rascheln eines Zeltes oder das Geräusch einer Autotür. Irgendetwas, was mir die Gewissheit gegeben hätte, dass der gestrige Tag doch nur ein Traum, oder zumindest ein einmaliger Fehltritt der Natur war, den sie in der letzten Nacht dankenswerterweise wieder korrigiert hatte. Dem war nicht so. Ich blickte mich um, es war niemand zu sehen. Auch Innamincka-Station war nicht wieder aufgetaucht. Der Hügel lag noch genauso einsam und unberührt da, wie ich ihn gestern verlassen hatte. Ich zog mich an und machte Feuer. Das lenkte mich wenigstens etwas von den Gedanken ab, die mich die ganze Nacht hatten kaum zur Ruhe kommen lassen. Die halbwegs nüchterne Analyse meiner Lage ergab nicht viel Ermutigendes. Ich saß hier augenscheinlich im Jahre 1861 fest. Wie und warum, war so wenig zu klären, wie mir eine

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