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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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verstanden. Davon gab es schließlich genug. Also konnte ich auch gleich alles behalten. In Gedanken ging ich, auf die Ladefläche des Pickup starrend, meine Besitztümer durch. Am gefährlichsten waren meine Reiseunterlagen, doch ohne die Karten und Wegbeschreibungen, die alle lange Zeit nach Burke und Wills entstanden waren und das Innere Australiens nicht mehr als terra incognita zeigten, sondern von meist mit einem Off-Roader gut befahrbaren Wegen durchzogen präsentierten, wäre ich völlig aufgeschmissen. Ich traf eine halbherzige Entscheidung. Die Karten musste ich einfach behalten. Ich brachte nicht übers Herz, sie zu den Handbüchern und Reiseführern in die Grube zu legen, die ich danach zuschippte und so gut wie möglich jede Spur meiner Handlung verwischte. Ein Versteck für die Karten zu finden, war wesentlich schwerer. Schließlich entschied ich mich, sie einfach in ein altes Handtuch einzuwickeln und im Handschuhfach zu deponieren, das immer abgeschlossen bleiben würde. Es war eigentlich lächerlich, dass ich für diese Nicht-Lösung mehr als eine halbe Stunde Nachdenkens aufgewendet hatte.

 
3
     
    Zwei Tage später hatte ich mich schon an den Lebensrhythmus in Brahes Lager gewöhnt. Er begann morgens vor Sonnenaufgang, und nicht lange nach Einbruch der Dunkelheit verkrochen sich die vier Männer in ihre Decken. Mein Swag hatte wie alles andere für Aufregung gesorgt, doch nach einem Marathon der unglaublichsten Lügen, über die selbst ich im Nachhinein staunend den Kopf schüttelte, war meine gesamte Ausrüstung als Produkt englischer Manufakturen erklärt, die ich hier in Australien in aller Heimlichkeit ausprobieren sollte, damit niemand von den bahnbrechenden Erfindungen zu früh erfahren würde.
    Den Wagen hatten sie überraschend gut hingenommen, nachdem ich ihn als eine besondere Form einer Lokomotive hingestellt hatte und ich sie schließlich sogar überreden konnte, eine kurze Proberunde mit mir zu drehen. Patton, der vierte Mann, den ich bis zu meiner Ankunft im Lager noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, war durch einen Sturz vom Pferd verletzt und konnte sich nur unter Schmerzen und sehr eingeschränkt bewegen. Er hatte im Schatten eines Baumes gesessen, das rechte Bein notdürftig geschient und die Rundfahrten der anderen in meinem Wagen mit misstrauischen Blicken verfolgt. Etwas abseits grasten ein Dutzend Pferde, die auf ihrer Nahrungssuche einen großen Bogen um die sechs Kamele machten, die mit gelangweilten Mundbewegungen wiederkäuend zwischen den Bäumen lagen. Über dem gesamten Ort lag der scharfe Geruch von menschlichen und tierischen Fäkalien, in den sich bei meiner Ankunft noch die Dieselabgase gemischt hatten.
    Mittlerweile wusste ich natürlich auch, wo ich herkommen durfte. Ich hatte mich für Sydney entschieden, denn aus meinen Büchern, die inzwischen in ihrem staubigen Grab verschimmelten, wusste ich, dass die Gebiete westlich von Sydney selbst zu diesem Zeitpunkt bereits einigermaßen erschlossen waren. Außerdem musste ich auf jeden Fall vermeiden, auch nur in der Nähe der Route gewesen zu sein, die Burke und Wills von Melbourne aus genommen hatten. Aber soweit es möglich war, wiegelte ich alle weitergehenden Fragen ab, wobei sehr hilfreich war, dass die vier nur über sehr oberflächliche Kenntnisse der Geographie Australiens verfügten und diese selbst auch nur in kleinen Ausschnitten, meist entlang von Flussläufen, überhaupt bekannt war. Eben dies zu ändern waren sie ja unterwegs. In Sydney war keiner von ihnen je gewesen, was mich aufatmen ließ. Also entwarf ich bei meinen Erzählungen das Bild einer Stadt, wie ich es von einigen alten Drucken her kannte, und ich schien damit nicht so falsch zu liegen. Als man mich allerdings nach meiner Schiffspassage von England herüber fragte, war ich aufgeschmissen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange man Mitte des neunzehnten Jahrhunderts brauchte, welche Route das Schiff nahm und ob schon Dampfschiffe in Gebrauch waren. Ich murmelte etwas von Seekrankheit und anderer Unbill, die mich die meiste Zeit an mein Bett gefesselt und ich von der Reise nicht viel mitbekommen hätte. Zum Glück stellten sie mir keine Fangfragen, und so konnte ich aus ihren Fragen, zum Beispiel wie lange wir in Kapstadt Aufenthalt gehabt hätten, nach einiger Zeit die Reiseroute in etwa rekonstruieren. Ich musste wohl so an die sechs Monate unterwegs gewesen sein, und sie waren sogar so nett, mir den Schiffsnamen in den Mund zu legen, den ich

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