Auf der Straße nach Oodnadatta
fürchtete, und er erkannte, dass er mit all seinem Glauben das Chaga nicht besiegen konnte.«
Mein Vater blieb sehr lange in seinem Arbeitszimmer. Dann kam er zu mir und fiel auf die Knie und bat mich um Verzeihung. Es sei ein biblisches Prinzip, erklärte er. Lass die Sonne auf deinem Zorn niemals untergehen. Aber obwohl die Grundsätze der Bibel weiterlebten, starb mein Vater an jenem Tag ein wenig für mich. Das ist das Leben: eine Aneinanderreihung von Sterben und Geborenwerden in eine neue Daseinsform und ein neues Begreifen.
Leben um Leben starb auch Gichichi. Es waren nur noch zwanzig Familien übrig an jenem Morgen, als die Stacheln der fremdweltlichen Koralle schließlich über die Baumwipfel auf dem Pass griffen. Bald nach Sonnenaufgang trafen die Lastwagen der UNECTA ein. Es waren verdreckte alte Kisten der Sudanesischen Armee, russischen Typs aus dritter Hand, schlecht lackiert und schwarze Abgase ausstoßend. Als wir sahen, dass schwarze Soldaten ausstiegen, waren wir beunruhigt, denn wir hatten schlimme Dinge gehört über Afrikaner in den Händen anderer Afrikaner. Ich traute ihrem Offizier nicht; er war zu dünn und hatte eine seltsame Vertiefung an der Seite seines kahlrasierten Kopfes, wie ein Mondkrater. Wir versammelten uns auf dem freien Platz vor der Kirche, unsere Besitztümer um uns herum aufgebaut. Das Hab und Gut unserer Familie machte insgesamt zwölf Bündel aus, eingewickelt in Kangas. Ich nahm das Radio und ein Sammelsurium von Töpfen. Die Bücher meines Vaters waren mit einer Schnur zusammengebunden und lagen kippelig auf dem Benzintank seiner roten Geländemaschine.
Der mondköpfige Offizier winkte, der erste Lastwagen setzte zurück und ließ seine Heckklappe herunter. Ein Soldat sprang heraus, entfaltete einen Klappstuhl neben der Hecköffnung und setzte sich mit einem Klemmblock und einem Kugelschreiber hin. Als Erste gingen die Kurias, die in der Kirche stark vertreten gewesen waren. Sie hoben ihre Kinder auf die Ladefläche des Lastwagens, dann reichten sie die Bündel mit ihrem Besitz hinauf. Der Soldat in dem Klappstuhl sah eine Zeit lang zu, dann schüttelte er den Kopf.
»Zu viel, zu viel«, sagte er in schlechtem Suaheli. »Ihr müsst einen Teil zurücklassen.«
Mr. Kuria runzelte die Stirn und schätzte mit den Augen den vielen Platz auf der Ladefläche ab. Er hob ein Bündel mit Kleidung vom Wagen.
»Nein, nein, nein«, sagte der Soldat; er stand auf und tippte mit seinem Kugelschreiber auf das Fernsehgerät der Familie. Ein anderer Soldat kam herbei, nahm ihn Mr. Kuria aus den Armen und brachte ihn zu einem Lastwagen neben der Straße, offenbar der Zehnt-Wagen.
»Weitermachen«, sagte der Soldat und machte einen Kritzel auf seinem Block.
So hemmungslos gingen sie vor. Unverblümtes Verbrechen unter blauem Himmel. Niemand sah es. Niemand scherte sich darum. Niemand verlor ein Wort darüber.
Unsere Familie musste das Motorrad als Abgabe entrichten. Das Gesicht meines Vaters war angespannt vor Wut und Widerstand gegen Gottes Gesetze, doch er fügte sich mit einem Flüstern. Der Offizier rollte die Maschine weg, zu einer Gruppe von Soldaten, die an einem qualmenden Feuer auf den Fersen kauerten. Sie waren sehr zufrieden damit und begrapschten und streichelten den Motor. Seither habe ich jedes Mal, wenn ich einen Yamaha-Motor hörte, nachgesehen, ob es eine Geländemaschine ist und welcher Dieb sie fährt.
»Weiter, weiter!«, drängte der Zehnt-Eintreiber.
»Meine Kirche«, sagte mein Vater und sprang vom Wagen. Sofort wurden ein Dutzend Kalaschnikows auf ihn gerichtet. Er hob die Hände, dann blickte er zu uns zurück.
»Tendeléo, du solltest das sehen.«
Der Offizier nickte. Die Gewehre wurden gesenkt, und ich sprang vom Wagen. Ich ging mit meinem Vater zur Kirche. Wir schritten durch den Gang. Die Gebetsbücher lagen auf den Sitzen, die gewebten Kniekissen lagen quadratisch vor den Bänken. Wir gingen in die kleine Sakristei, wo ich das Geld aus der Kollekte gestohlen hatte. Hier schlummerten noch andere dunkle Geheimnisse. Mein Vater nahm einen zerbeulten roten Benzinkanister aus seinem Gewandschrank und trug ihn zum heiligen Tisch mit den Abendmahlutensilien. Er nahm den Kelch, bot ihn Gott dar, dann füllte er ihn mit Benzin aus dem Kanister. Er wandte des Gesicht dem Altar zu.
»Das Blut Christi möge dich in ewigem Leben erhalten«, sprach er und hob den Kelch hoch. Dann goss er den Inhalt auf das weiße Altartuch. Eine Bewegung, so schnell, dass ich
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