Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
Chinesin.
    »Ach, Mr. Giddens. Sie gehören zu Miss Bi, ist das richtig?«
    »So ist es. Wie geht es ihr?«
    »Nun, sie wurde mit mehreren Fleischwunden eingeliefert, im oberen Körperbereich, in der linken Gesichtshälfte, am linken Oberarm und der Schulter …«
    »Oh, mein Gott. Und jetzt?«
    »Sehen Sie selbst.«
    Ten kam den Gang herunter. Wenn sie nicht mit einem Krankenhaushemd bekleidet gewesen wäre, hätte ich schwören können, dass sie sich seit heute Morgen, als sie das Haus verlassen hatte, nicht verändert hatte.
    »Shoun.«
    Die Striemen in ihrem Gesicht und auf ihren Händen verblassten bereits. Eine schreckliche Ahnung überfiel mich, so stark und kalt, dass ich mich beinahe übergeben hätte.
    »Wir wollen sie für weitere Untersuchungen hier behalten, Mr. Giddens«, sagte die Ärztin. »Wie Sie sich vorstellen können, haben wir etwas Derartiges noch nie zuvor gesehen.«
    »Shoun. Mir geht es gut. Ich möchte nach Hause.«
    »Nur um ganz sicher zu gehen, Mr. Giddens.«
    Als ich Ten eine Tasche mit Sachen brachte, führte mich die Empfangsschwester in die Intensivstation. Ich rannte die sechs Treppenfluchten bis dort hinauf, brennend vor Angst. Ten befand sich in einem isolierten Raum voller weißer Instrumente. Als sie mich sah, rannte sie vom Bett zum Fenster und drückte die Hände dagegen.
    »Shoun!« Ihre Worte drangen durch ein Lautsprechergitter zu mir heraus. »Die wollen mich nicht rauslassen!«
    Ein anderer Arzt führte mich in einen angrenzenden Raum. Dort waren zwei Polizisten und ein Mann im Anzug.
    »Was, zum Teufel, soll das alles?«
    »Mr. Giddens, ist Miss Bi ein Flüchtling aus Kenia?«
    »Das wissen Sie doch verdammt genau.«
    »Immer mit der Ruhe, Mr. Giddens. Wir haben an Miss Bi einige Untersuchungen durchgeführt und wir haben in ihrem Blut das Vorhandensein von Fullerene-Nanoprozessoren festgestellt.«
    »Nano-was?«
    »Das, was allgemein als Chaga-Sporen bekannt ist.«
    Ten, das Staub-Mädchen, das immer wieder und wieder auf den Gleitflügler geschossen hatte, die blühende Waffe in der Hand, das Elendsviertel, das hinter ihr dahinschmolz, während ihre Kleidung zerfiel, sie den Arm durch die Absperrung streckte und rief: Ich habe einen Chip in mir! In habe einen Chip in mir! Die Soldaten, die ihr den Kopf schoren und sie mit Schläuchen abspritzten. Diese Dinge, die sie in ihrem Körper herumgetragen hatte. Diese vielen Botengänge für die Amerikaner.
    »O mein Gott!«
    Der kleine Raum hatte ein Fenster. Durch dieses sah ich Ten, die auf einem Plastikstuhl neben dem Bett saß, die Hände auf den Schenkeln, den Kopf gesenkt.
    »Mr. Giddens.« Der Mann im Anzug zückte ein kleines Plastikmäppchen. »Robert McGlennon, Einwanderungsbehörde. Ihre … äh …« Er nickte zum Fenster hin.
    »Partnerin.«
    »Partnerin. Mr. Giddens, ich muss Ihnen mitteilen, dass wir nicht mit Sicherheit sagen können, ob Miss Bis fortdauernde Anwesenheit nicht ein öffentliches Gesundheitsrisiko darstellt. Ihr Flüchtlingsstatus hängt von einer Anzahl von Bedingungen ab, unter anderem davon …«
    »Sie schicken sie in die Verbannung, verdammt noch mal …«
    Die beiden Polizisten rührten sich. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass sie nicht wegen Ten hier waren. Sie waren meinetwegen hier.
    »Es ist eine Sache der öffentlichen Gesundheit, Mr. Giddens. Sie hätte von Anfang an gar nicht hereingelassen werden dürfen. Wir haben nicht die geringste Ahnung der möglichen umweltlich bedingten Auswirkungen. Sie vor allen Dingen sollten sich dessen bewusst sein, was solche Dinge anrichten können. Bereits angerichtet haben. Immer noch anrichten. Mein Anliegen ist die öffentliche Sicherheit.«
    »Öffentliche Sicherheit, Scheiße!«
    »Mr. Giddens …«
    Ich ging zum Fenster. Ich schlug mit der Faust gegen das verdrahtete Glas.
    »Ten! Ten! Sie versuchen, dich in die Verbannung zu schicken. Sie wollen dich zurückschicken!«
    Die Polizisten zerrten mich vom Fenster weg. Auf der anderen Seite brüllte Ten lautlos.
    »Hören Sie, ich tue das nicht gern«, sagte der Mann im Anzug.
    »Wann?«
    »Mr. Giddens.«
    »Wann? Sagen Sie mir, wie viel Zeit sie noch hat.«
    »Für gewöhnlich würde es eine zeitweise Hafteinweisung bis zur Klärung der Angelegenheit geben, mit beschränkten Berufungsrechten. Aber da es sich in diesem Fall um eine Sache der öffentlichen Gesundheit handelt …«
    »Sie werden es sofort durchführen.«
    »Der Befehl ist sofort wirksam, Mr. Giddens. Es tut mir Leid. Diese

Weitere Kostenlose Bücher