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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Trainings-Dress: ausgefranste Pullover, die Reste aus durchlöcherten Wollsocken und grobgestrickten Strumpfhosen, selbstgehäkelte Stumpen.
    Und auf dem Boden, wie achtlos zusammengekehrt, die Tanzschuhe, Bandagen, T-Shirts, Slips. Ein für Außenstehende unappetitlicher Haufen alter, verschmutzter, vergammelter Textilien. Und für die Eingeweihten ein vertrauter Schatz notwendiger, lebenswichtiger Accessoires.
    Er lehnte sich gegen die Stange, sah ihr nachdenklich zu, wie sie die mehrfach geflickten, zerschlissenen Wollstrümpfe mit den abgeschnittenen Fußenden über ihre langen, schlanken Beine zog und dann ihre Schuhe schnürte.
    Lustlos begann er mit einigen Lockerungsübungen, ging in die Hocke, streckte und spannte das linke, das rechte Bein, schlüpfte schließlich aus den Schuhen, aus den Jeans, warf beides in eine Ecke, holte ein ausgebleichtes, schwarzes Trikot vom Haken, quälte seine Beine, sein Geschlecht in das viel zu enge Kleidungsstück, ging wieder zurück zur Stange, wippte auf und nieder, sprang nach links und rechts und wartete.
    Sie war nun fertig. Ein bunter Vogel in ihrem ärmellosen Wollpullover, kunstvoll zusammengesetzt aus lauter kleinen Flicken und Fetzen. Mit weit ausgebreiteten Armen und leicht wiegenden Hüften flatterte sie wie mit gestutzten Flügeln quer durch den langen Raum, in dem früher Maschinen gestanden hatten, und der schon damals erfüllt gewesen war von dem eher profanen Schweiß der vielen Akkordnäherinnen.
    Drei Sprünge vor dem Spiegel, Dehnen, Strecken …
    Einige aggressive Posen …
    Dann der bekannte Rhythmus …
    Eins, eins, eins und zwei und … eins, eins, eins … eins, zwei und Drehung … Sprung.
    Hände in die Hüften, Drehung, Sprung, Kopf zurück und zwei und drei und aus! Und Grundstellung …
    Sie blieb stehen, mitten im Raum, wie erstarrt und holte Luft. Er lehnte wieder an der Stange, hatte ihr zugesehen, fast teilnahmslos, wie abwesend, scheinbar entspannt, träge, und sie wusste, was er dachte.
    Sie waren die ersten gewesen. Und sie würden die Einzigen bleiben. Keiner würde kommen. Weder Mike, der Boss der Schule, noch Betty, seine Assistentin, noch die anderen: fünfzehn boys, siebzehn girls, alles Farbige wie sie.
    Jetzt waren sie beide allein. Heute, vielleicht auch morgen, oder auch immer und in aller Zukunft.
    Er legte schließlich die Kassette in den Recorder: song-of-freedom. Der Bann war gebrochen, die tödliche Stille wurde nun übertönt von diesem Song, vom harten Schlag der Bassgitarren, vom Rhythmus, vom schrillen Klang der Flöten.
    Sie fingen an zu trainieren. Allein. Zu zweit. Schritte, Figuren. Sie tanzten und sangen. Die ganze Nummer der Show. Immer wieder von vorn. Und sie würden nicht aufhören, solange sie damit ihre Furcht vor dem Unfassbaren, Unglaublichen in Schach halten konnten, verscheuchen konnten durch die Musik, abtöten durch die Arbeit, durch ihren Tanz.
    Draußen, hinter den blinden Scheiben, lauerte das Grauen. Eine Katastrophe? Eine Massenflucht? Eine Seuche? Ein Alptraum? Oder ein göttlicher Fluch?
    Egal, was es war. Hier drinnen tanzten sie. Sie beide. Nur sie beide. Sie beide ganz allein! Allein auf einer Bühne! Nicht nur zwei unter vielen. Zwei hinter der Chorus Line. Nicht Corps-de-Ballet, Teil eines Ensembles. Nein, ein unbegreifliches Schicksal hatte sie zu Solisten gemacht. Und es schien, als würden sie Solisten bleiben.
    Eigentlich hatten sie es geschafft, in diesen Minuten und Stunden. Es gab keine Konkurrenz mehr. Nichts, was sonst noch zählte. Keiner machte ihnen den Rang mehr streitig. Drängte sich vor. Schob sie zurück. Wurde bevorzugt, ausgezeichnet, bekam den Job, der ihnen zustand. Sie hatten gewonnen. Aber dieser Sieg zählte nicht mehr.
    Irgendwann hörten sie auf zu tanzen. Beide. Sie klammerten sich an die Stange, atemlos, kleinmütig, furchtsam, und waren unfähig, sich zu bewegen.
    Es dauerte lange, sehr lange, bis sie aus ihrer Erstarrung erwachten, weil die Kassette wieder einmal zu Ende war, die Musik verstummte.
    Da ging er hin zu ihr, nahm ihre Hände, presste ihren schmalen, sehnigen Körper an sich, lang und voller Zärtlichkeit, spürte das Vibrieren ihrer fiebrigen Muskeln, das sie nicht unterdrücken konnte, ein Schüttelfrost, durch diese eisige Kälte der Angst. Denn draußen war immer noch alles still. Totenstill.
    Er sah sie nicht an. Hielt sie nur fest. Presste seine Lippen auf ihr Haar. Ein Knoten aus krausen, kurzen, schwarzen Locken. Herber Geruch. Salziger

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