Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land
die Mühen einer Übersetzung ab, die ich selbst nicht leisten will. Wen meint die Autorin damit? Ach so, die Indianer. Wenn dies ohnehin das – gewünschte – Ergebnis einer Dechiffrierung ist, dann kann ich auch gleich auf die Chiffrierung verzichten.
Problematisch finde ich allerdings, dass ich einen schwarzen Gesprächspartner überhaupt als solchen kennzeichne. Das tue ich bei Weißen schließlich analog nicht. Was bedeutet: Ich setze »weiß« als die Norm, »schwarz« als die Abweichung davon. In politischer Hinsicht hielte ich das für falsch. Die Realität meiner Reise spiegelt es jedoch wider. Nicht nur deshalb, weil in weiten Teilen der USA nur wenige Schwarze auf dem Land und in kleinen Städten leben. Sondern weil auch dort, wo das anders ist – wie in den Südstaaten –, ich nicht ein einziges Mal zufällig und beiläufig mit Schwarzen ins Gespräch gekommen bin. Den Kontakt musste stets ich suchen, und ich musste ihn gezielt suchen. Neugier oder auch nur Interesse, wie ich es gelegentlich bei Weißen gefunden habe, ist mir von Schwarzen nie entgegen gebracht worden. Allerdings auch keine Ablehnung. Meist kam ich mir einfach vor, als sei ich unsichtbar. Was mich schon zu Beginn meines Weges sehr nachdenklich stimmte hinsichtlich der Frage, ob diese Gesellschaft nicht nach wie vor viel tiefer gespalten ist, als sie von sich selbst glaubt und als die politischen Erfolge von Barack Obama vermuten lassen könnten.
Kevin Williams hat daran keinen Zweifel: »Natürlich ist das nach wie vor eine gespaltene Gesellschaft. Und es gibt nach wie vor jede Menge Rassismus.« Immer mal wieder passiere es, dass bei Funkgesprächen weiße Fahrer zu ihm sagten: »Halt die Klappe, Nigger.« Woran erkennen sie, dass er schwarz ist? Kevin zuckt die Achseln: Angeblich an der Stimme. Aber es könne auch an der Aussprache liegen. Die Weißen wollten mit den Schwarzen nichts zu tun haben. Das Viertel in Chicago, wo er wohnt, sei früher eine gemischte Wohngegend gewesen. Aber je mehr Schwarze dahin zögen, desto mehr Weiße zögen weg. »Sie mögen uns nicht. Falls Obama wirklich Präsident wird, dann wird er eines Tages umgebracht.«
Kevin hat seit 1988 seine Lizenz als Lkw-Fahrer und fährt zwischen Chicago und Cleveland, hin mit Bio-Lebensmitteln, zurück mit Metallteilen. Die einfache Fahrt dauert sechs Stunden, er kann also oft zu Hause übernachten. Er ist fest angestellt und über seine Firma auch krankenversichert. »Das Problem ist nur, dass die Versicherung immer teurer wird. Deshalb ist von Gehaltserhöhung schon lange überhaupt keine Rede mehr. Im Gegenteil, uns drohen Kürzungen.« Es gebe keine Mittelschicht mehr in den USA, sagt Kevin Williams. Die Reichen würden immer reicher, die Armen immer ärmer. »Mittlerweile bist du entweder an der Spitze oder du liegst am Boden. Dazwischen ist nichts.« Aber ist er nicht selbst das beste Gegenbeispiel für seine These? Als Fernfahrer gehört er doch zur Mittelschicht. »Wie lange noch? Und wie lange halte ich das durch? Ich muss regelmäßig Überstunden machen, um überhaupt über die Runden zu kommen.« Nicht verzweifelt oder aggressiv sagt er das. Ganz sachlich, so, wie man eine unbestreitbare Tatsache feststellt. Die Uhrzeit beispielsweise.
Scott Rogers, 44, sieht das ganz anders. »Das Geld ist das Beste an diesem Job.« Angeblich bringt er es auf 5200 Dollar im Monat – aus seiner Sicht ein leicht verdientes Einkommen. »Trucker ist der einfachste Job, den ich je hatte. Ich höre den ganzen Tag Radio und fahre eben.« Seit fünf Jahren tut er das. Vorher war er Makler, aber die wirtschaftlichen Verhältnisse seien immer schlechter geworden. Es habe sich nicht mehr gelohnt. Scott ist mit Autoteilen unterwegs von Michigan zu mehreren Kunden nach Maine – eine 16-Stunden-Strecke. Insgesamt reißt er jede Woche über 7000 Kilometer runter, erzählt er. Alleine wäre das nicht zu schaffen. Er fährt im Team, weil die Firma das verlangt. Eigentlich ist ihm das nicht so recht.
Der andere Fahrer stammt aus der Elfenbeinküste. »Ich sehe ihn als eine Art Lehrling«, meint Scott. Er traut den Fahrkünsten seines Kollegen nicht. »Dabei muss ich mich auf ihn verlassen können. Ich muss ja auch schlafen, wenn er fährt.« Vorsichtshalber schnallt er sich im Bett an. Gegessen wird auch im Lastwagen. Die kleine Kabine hinter dem Fahrerhaus ist spartanischer eingerichtet als eine Gefängniszelle. Doppelbett, Kühlschrank – das ist alles. Kein Fernseher. »Dazu
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