Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

sind die wenigen Perlenkisten und Drahtspulen, die wir haben, im Nu aufgebraucht.«
    Nach Durchquerung eines Nullah ritten sie auf höheres Gelände und erblickten Plantagen, die sich über einen sanft ansteigenden Hang erstreckten. Bombay führte sie die bestellten Felder entlang durch Wälder und dichte Vegetation, wodurch es ihnen gelang, vier Dörfer zu passieren, ohne gesichtet zu werden.
    Dann verließ sie das Glück. Krieger traten ihnen in den Weg, zückten ihre Speere und nahmen groteske Posen ein, die den Fremden Furcht einflößen sollten, doch Swinburne kicherte nur.
    Nach viel Gejohle und Gebrüll brachte Bombay letztlich eine friedliche Verständigung zustande. Die Briten bezahlten drei Kisten mit Perlen und erhielten die Erlaubnis, über Nacht im Dorf zu bleiben. Es hieß Usenda, und die Bewohner erwiesen sich als wesentlich freundlicher, als die anfängliche Begrüßung erahnen ließ. Sie teilten mit den Besuchern ihr Essen und   – zu Swinburnes Entzücken   – obendrein ein stark alkoholisches Getränk, das aus Bananen hergestellt wurde. Außerdem überließen sie den Fremden eine Behausung für die Dauer des Aufenthalts. Es handelte sich um ein jämmerliches, aus Gras errichtetes Gebilde, verseucht von Insekten und von einer Rattenfamilie besetzt. Doch Trounce war zu erschöpft, um sich daran zu stören, Swinburne zu betrunken, um es zu bemerken, und Burton hatte mittlerweile so hohes Fieber, dass er in dem Augenblick die Besinnung verlor, als er den Unterschlupf betrat.
    Sie schliefen tief und fest, während Spencer Wachdienst versah und Bombay bis spät in die Nacht aufblieb, um mit den Dorfältesten zu palavern.
    Als sie am nächsten Tag aufbrachen, hing der Agent des Königs halb bewusstlos im Sattel, deshalb übernahm Trounce die Spitze. Er führte sie erfolgreich an sieben Dörfern vorbei und aus der landwirtschaftlich genutzten Region in unbewohntes Flachland, wo Doumpalmen in Hülle und Fülle wuchsen. Das Gelände war problemlos zu bewältigen, dennoch brauchten sie zwei Tage für die Durchquerung. Burton war in dieser Zeit mal bei Bewusstsein, mal besinnungslos.
    Schließlich erreichten sie den Rand eines Dschungels und bahnten sich den Weg hindurch, wobei Trounce und Spencer die Spitze übernahmen, während Swinburne und Bombay die Pferde hinter ihnen herführten. Der noch immer bewusstlose Burton blieb im Sattel.
    Gefühlte Stunden kämpften sie mit dem Unterholz, bis Spencer ein Gewirr von Lianen beiseiteschob und sie sich unverhofft einem Rhinozeros gegenübersahen. Es scharrte über den Boden, schnaubte, warf den Kopf von einer Seite zur anderen und musterte die Menschen mit kleinen, tückischen Augen.
    Sie hoben die Gewehre an.
    »Bitte absolute Stille, meine Herren«, flüsterte Trounce. »Das geringste Geräusch oder die kleinste Bewegung könnte bewirken, dass das Tier uns angreift.«
    »Steck’s dir in den Rußtunnel!«, kreischte Pox.
    »Schweinsstecher!«, quäkte Malady. »Schieläugiger, schwabbelbäuchiger Stinkfuß!«
    Das Rhinozeros gab ein eigentümliches Rülpsen von sich, wandte sich ab und trottete davon.
    »Meiner Treu!«, rief Swinburne. »Malady lernt wirklich schnell!«
    »Hmpf!«, machte Trounce. »Wenn wir das nächste Mal einem wilden Tier gegenüberstehen, spare ich mir die Mühe, mein Gewehr abzuschnallen. Ich werfe stattdessen mit Sittichen.«
    Es war kurz vor Einbruch der Nacht, als sie aus dem Gewirr der Vegetation hervorbrachen und sich einen Platz zum Lagern suchten. Burton erlangte das Bewusstsein wieder, während die anderen schliefen. Er saß mit Spencer beisammen und lauschte dem dumpfen Brüllen von Löwen und dem hellen Kichern von Hyänen.
    »Wie is’ das werte Befinden?«, erkundigte sich der Philosoph.
    »Ich fühle mich schwach. Wie sieht es bei dir aus?«
    »Puh! Ich bin froh, wenn wir all das Laufen und Reiten hinter uns haben. Das is’ alles andere als gut für mein kaputtes Bein.«
    »Dein Bein ist nur eingedellt, Herbert.«
    »Aye, aber es tut höllisch weh.«
    »Das ist nicht möglich.«
    »Aye. Boss, meinst du, dass ich ’n paar Eigenschaften verloren hab, die ’n Mensch nur besitzt, weil er aus Fleisch und Blut is’?«
    »Was für Eigenschaften?«
    »Ein Gewissen zum Beispiel, ’ne selbst geschaffene moralische Norm, nach der ’n Mann seine eigenen Handlungen beurteilt. Der alte Darwin hat gesagt, das sei die wichtigste Unterscheidung zwischen der Menschheit und anderen Spezies.«
    »Und du denkst, das sei eine Eigenschaft