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Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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fehlt der Schlaf einer Nacht, und ich bin hundemüde«, fuhr er fort. »Ich ziehe mir rasch etwas Bequemeres an, dann geselle ich mich in der Küche zum Abendessen zu Ihnen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    Mrs. Angell wirkte überrascht. »Essen? In der Küche? Mit mir?«
    Burton legte seiner Haushälterin die Hände auf die Schultern und lächelte sie an. »Meine liebe, liebe Frau«, sagte er. »Ich werde Sie sehr lange nicht wiedersehen. Wie soll ich nur ohne Sie zurechtkommen? Sie haben mich mit Essen versorgt und hinter mir aufgeräumt. Sie haben sich darum gekümmert, dass ich auf dem rechten Weg geblieben bin, wenn ich in Gefahr war, davon abzukommen. Sie haben Eindringlinge und Unannehmlichkeiten ertragen. Sie haben sich nicht einmal beschwert, als der Tichborne-Antragsteller das Haus praktisch niedergerissen hat. Sie sind eines der Weltwunder, und es wäre mir eine Ehre, heute Abend mit Ihnen zu speisen.«
    Mit glänzenden Augen erwiderte Mrs. Angell: »Dann sehr gerne, Sir Richard. Allerdings habe ich eine Bedingung.«
    »Und welche?«
    »Während wir essen, werde ich reichlich Wasser aufkochen, und wenn wir fertig sind, bringen Sie es nach oben und nehmen ein Bad. Sie riechen streng nach der Themse, Sir.«
    *
    Burton entspannte sich in einer Metallbadewanne vor dem Kamin in seinem Arbeitszimmer. Er hatte sich rasiert, seinen Schnurrbart gestutzt und sich den Ruß als die Schadstoffe von der Haut geschrubbt.
    Ein letztes Mal zog er am Stummel einer durchdringend riechenden Zigarre, dann warf er sie ins Feuer, nahm ein Glas Brandy vom Fußboden, setzte es an die Lippen, leerte es und stellte es zurück.
    »Jemand will nicht«, murmelte er vor sich hin, »dass ich nach Afrika reise, so viel ist sicher.«
    »Minderbemittelter Einfaltspinsel«, krähte Pox, sein Botensittich. Der bunte Vogel schlief auf einer Hockstange in der Näheeines Bücherregals. Wie alle Tiere seiner Art gab die Sittichdame auch dann Beleidigungen von sich, wenn sie sich in besinnungslosem Zustand befand.
    Burton lehnte sich zurück, legte den Kopf auf den Rand der Wanne und drehte ihn so, dass er in die flackernden Flammen des Kamins schauen konnte.
    Seine Lider fühlten sich schwer an.
    Er schloss sie.
    Seine Atmung ging langsamer, tiefer.
    Seine Gedanken flossen auseinander.
    Vor seinem geistigen Auge bildeten sich Gesichter und verblassten wieder: Lieutenant William Stroyan, Sir Roderick Murchison, Ebenezer Smike, Thomas Honesty, Edwin Brundleweed. Sie waberten, verschmolzen miteinander, gerannen zu einem einzigen Antlitz, ausgemergelt und zerfurcht, mit einer Hakennase, schmalen Lippen und schmerzerfüllten Augen.
    Spring Heeled Jack.
    Nach und nach wurden die Züge weicher, der Blick der Augen ruhiger. Ein jüngerer Mann trat aus dem schrecklichen Gesicht hervor.
    »Oxford«, murmelte Burton im Schlaf. »Sein Name ist Edward Oxford.«
    *
    Sein Name ist Edward Oxford.
    Er ist fünfundzwanzig Jahre alt und ein Genie   – Arzt, Techniker, Historiker und Philosoph.
    Er sitzt an einem Schreibtisch aus Glas, allerdings ist dieser nicht durchscheinend, sondern mit Texten, Diagrammen und Bildern gefüllt, die sich bewegen, die blinken, die ein- und ausgeblendet werden. Die Tischplatte ist flach und dünn, dennoch scheinen die Informationen, die darin tänzeln   – und Burton weiß instinktiv, dass es sich in der Tat um Informationen handelt   –,dreidimensional zu sein. Das wirkt verstörend, als wäre etwas unmöglich Großes in etwas äußerst Kleines gepresst worden, wie ein Dschinn in eine Lampe. Doch Edward Oxford beunruhigt dies offenbar nicht. Vielmehr übt der junge Mann so etwas wie Kontrolle über das Material aus, denn gelegentlich berührt er das Glas mit einem Finger oder murmelt etwas, und der Text, die Konturen und Bilder reagieren darauf, indem sie sich zusammenfalten, sich umkehren oder sich verwandeln.
    Ein großer schwarzer Diamant liegt auf dem Schreibtisch.
    Burton erkennt ihn als das südamerikanische Nāga-Auge, das er vergangenes Jahr unter dem Familiensitz der Tichbornes entdeckt hat. Der Traum widerspricht ihm. Der Stein wurde nicht 1862 gefunden, besagt er, sondern 2068.
    Die Originalgeschichte!
    Oxford ist fasziniert davon. Die Struktur des Steins ist einzigartig. Er flüstert: »Noch empfindlicher als ein Zellcomputer. Effizienter als ein Rechnerverbund. Mehr Kapazität als Genspeicher.«
    Wovon redet er da? , fragt sich Burton.
    Der Traum zersplittert, fügt sich einige Wochen später jedoch wieder

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