Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)
wissen etwas über diese Person?«, fragte Burton.
»Ja«, gab Burke zurück. »Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Otto Steinrück nicht Otto Steinrück ist. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um einen Decknamen. Der Mann entspricht der Beschreibung eines berüchtigten preußischen Spions namens Ferdinand Graf von Zeppelin. Bestimmt erinnern Sie sich, dasser vergangenes Jahr Richard Spruce und dessen Eugenikerkollegen geholfen hat, aus dem Land zu fliehen. Ein sehr gefährlicher Mann, Captain.«
Burton nickte. »Und einer, der fest entschlossen ist, mich davon abzuhalten, nach Afrika zu reisen, wie es scheint. Ich bin sicher, dass er nach wie vor mit Spruce zusammenarbeitet.«
»Wieso das?«
»Der Tote hatte eine abscheulich aussehende Pflanze im Mund, die ihm aus dem Gaumen wuchs.«
»Hm. Das ist interessant.« Burke zog ein Notizbuch aus der Tasche und kritzelte mit einem Bleistift etwas hinein.
Palmerston öffnete seine Schnupftabakdose, ergriff eine Prise braunen Pulvers zwischen Daumen und Zeigefinger, ließ es auf den rechten Handrücken rieseln und hob es an die Nase. Als er den Tabak schnupfte, weiteten sich für einen Moment seine Augen.
Burton hatte den Eindruck, dass das Gesicht des Premierministers von den eugenischen Behandlungen dermaßen straff gespannt war, dass seine Augen beinah orientalisch aussahen.
»Eine verworrene Situation«, murmelte Palmerston. »Derzeit werden folgenschwere Schachzüge ausgeführt, Captain, die unsere Welt umgestalten werden, und Sie befinden sich mittendrin.«
»Inwiefern?«
»Morgen Nachmittag werde ich vor dem Parlament etwas verlautbaren. Sie werden zu dem Zeitpunkt bereits außer Landes sein. Deshalb bin ich hergekommen, um Ihnen die Neuigkeit persönlich mitzuteilen. Entschuldigen Sie …«
Palmerston drehte den Kopf zur Seite und nieste, dass die Fensterscheiben klirrten. Als er wieder nach vorn blickte, hatten sich tiefe Runzeln um seine Augen und die Nase gebildet. Während der nächsten Minuten wurden diese Furchen allmählich flacher und verschwanden schließlich ganz.
»Welche Neuigkeit?«, fragte Burton.
»Lincoln hat kapituliert. Amerika gehört uns.«
Burtons Mund klappte auf. Sprachlos ließ er sich auf seinem Sitz nach hinten fallen.
»Vor einiger Zeit«, fuhr Palmerston fort, »habe ich zu Ihnen gesagt, sollte dieser Fall eintreten, würde ich von den Konföderierten die Abschaffung der Sklaverei als Gegenleistung für unsere Rolle bei ihrem Sieg fordern. Nun, ich habe die Absicht, genau das zu tun. Allerdings nicht sofort.«
Burton fand seine Stimme wieder und fragte: »Warum nicht?«
»Wegen Blut und Eisen.«
»Blut und Eisen?«
»Vor drei Monaten, als Sie die Tichborne-Angelegenheit geklärt und unsere abtrünnigen Eugeniker sich nach Preußen abgesetzt haben, hielt Kanzler Bismarck eine Ansprache, in der er seine Absicht verkündete, die Militärausgaben zu erhöhen und die deutschen Territorien zu einen. Er sagte – und glauben Sie mir, ich kann es aus dem Gedächtnis zitieren, denn es hat sich mir dort eingebrannt: ›Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht. Preußen muss seine Kraft zusammenfassen und zusammenhalten auf den günstigen Augenblick, der schon einige Male verpasst ist. Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig. Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen –, sondern durch Eisen und Blut.‹«
Burton sagte: »Ich habe Berichte über die Rede in den Zeitungen gelesen. Betreibt er Kriegshetze?«
Palmerston ballte die Hände zu Fäusten. »Unbestreitbar. Das ist der erste unverfrorene Wink auf den Weltkrieg, den Komtesse Sabina vorhergesagt hat. Es besteht kein Zweifel daran, dass Bismarck danach trachtet, ein deutsches Imperium zu schaffen, das es mit unserem Empire aufnehmen kann. Weltreiche brauchen Ressourcen, Captain Burton, und auf diesem Planeten gibt es nur noch eine einzige riesige, unangetastete Rohstoffquelle. Afrika!«
»Sie vermuten, dass Bismarck dort Fuß fassen will?«
»Ich nehme an, er hat die Absicht, den Kontinent zu zerpflücken und auszusaugen.«
»Aber was hat das mit Sklaven in Amerika zu tun?«
»Wenn ein vereintes Deutschland Afrika zu seinen Territorien zählen kann und ein Krieg ausbricht, verfügt es über eine schier unerschöpfliche Quelle entbehrlicher
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