Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
Jetzt bin ich wirklich fertig. Wortwörtlich.
7:20 Zurück in meinem Zimmer. Schnell die dicken Vorhänge zumachen, damit es schön dunkel bleibt, und ab ins Bett.
7:35 Sonnenaufgang. Draußen. Außerhalb meiner Vorhänge und für mich gerade total unwichtig, denn …
7:45 Zzz zzzz zzz zzzz …
8.5. 105 Sterne pro Nacht
Während meiner Doktorarbeit an der Australischen Nationaluniversität verbrachte ich über zwei Jahre hinweg insgesamt 42 Nächte mit Beobachten am 2,3 m-Teleskop am Siding Spring-Observatorium. Die kürzeste Beobachtungskampagne war drei Nächte, die längste zwölf Nächte. Drei Nächte sind fast zu kurz, weil man nicht genug Zeit hat, sich vom Tag- auf den Nachtrhythmus umzustellen. Zwölf Nächte sind allerdings ziemlich lang, denn schon nach einer Woche beginnt man, sich ein bisschen wie ein Vampir zu fühlen. Man fühlt sich bei Dunkelheit recht wohl, und das Tageslicht beim Aufwachen erscheint ziemlich grell. Schon tagelang hat man außer kurz beim Abendessen mit niemandem mehr ein Wort gewechselt. Man lebt ziemlich eingekapselt in seiner kleinen »Beobachter-Welt« am Teleskop.
Meine Sternenstichprobe bestand aus 1777 Sternen, von denen ich in diesen 42 Nächten ca. 1250 selbst mit dem am Teleskop befindlichen »Double-Beam«-Spektrographen beobachtet habe. Um mir zu helfen, wurden die restlichen 500 Sterne von einigen anderen Kollegen mit dem 2,3 m- und auch mit ähnlichen Teleskopen in Chile beobachtet. Mein Doktorvater half auch mit, und eines Tages kam er vom Beobachten zurück und erzählte mir, dass er 95 Sterne in einer einzigen Nacht beobachtet habe. Bis dahin hatte ich noch nie genau gezählt, wie hoch meine nächtliche Rate eigentlich war. Das änderte sich schlagartig an diesem Tag. Bei meiner nächsten Kampagne gab es nur ein Ziel: mehr als 95 Sterne in einer einzigen Nacht zu beobachten! Schließlich konnte ich es ja nicht auf mir sitzenlassen, dass mein Doktorvater diesen Rekord mit »meinen« Sternen hielt.
In mehreren Nächten ist es mir später tatsächlich gelungen, mehr als 100 Sterne zu beobachten. Mein neuer Rekord von 105 Sternen basierte auf folgender Strategie. Man benötigt eine möglichst lange und klare Nacht, viele sehr helle Sterne, die möglichst auch noch nah beieinander am Himmel stehen, weil das die Fahr- und Schwenkzeit des Teleskops von einem zum nächsten Objekt reduziert, und gute laute Musik, damit man nicht müde wird. Das Beobachten läuft dann generell so ab: Man fährt das Teleskop zur Position des ersten Sterns. Mit Hilfe einer kleineren Kamera, die vorne am Teleskop angebracht ist, wird ein Bild des Himmelstücks aufgenommen, wo sich das zu beobachtende Objekt befinden soll. So kann man prüfen, ob der Stern auch genau an der richtigen Stelle für die Beobachtung positioniert ist. Wenn dies nicht der Fall ist, können verschiedene Korrekturen angebracht werden. Die Beobachtungszeiten am 2,3 m-Teleskop liegen für meine Sterne zwischen 20 Sekunden und 5 Minuten, je nach Sternhelligkeit. Wenn die Beobachtung abgeschlossen ist, muss man warten, bis die Daten zu den Sternphotonen aus dem Detektor ausgelesen sind. Dies dauert zwischen 10 und 15 Sekunden. Dabei wird die »Beobachtung« in eine elektronisch lesbare Datei umgewandelt. In meinem Fall sind dies natürlich Spektren und nicht photometrische Aufnahmen der Sterne, da ich Spektroskopikerin bin. Danach muss eine kurze Kalibrationsmessung durchgeführt werden, bei der man das Spektrum einer bekannten, meist mit Edelgas gefüllten Vergleichslampe aufnimmt. Ich benutze dafür Thorium-Argon-Dampflampen. Diese Kalibrationsmessungen ermöglichen später die Zuordnungen der Wellenlängenskala. Dies dauert noch einmal ca. 30 Sekunden. Dann geht es weiter zum nächsten Stern.
Während dieses gesamten Vorgangs hat man es mit diversen Bildschirmen, Tastaturen, Knöpfen und Schaltern zu tun. Bei kleineren Teleskopen wie dem 2,3 m gibt es nämlich nur eine einzige Person, die für alles verantwortlich ist und alles bedienen muss: mich, den Beobachter. Strenggenommen ist man als Beobachter damit nicht nur Astronom und Beobachter, sondern auch Teleskopbediener, Instrument-Spezialist und natürlich Experte für alle Störungen, Ausfälle und sonstigen Probleme, die an einem Teleskop so auftreten können.
Gleichzeitig muss man entscheiden, welches Beobachtungsobjekt strategisch gesehen am besten als Nächstes beobachtet werden sollte. Bei einer zehnstündigen Nacht habe ich also im Schnitt
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