Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
aufmerksam. Denn ob leuchtende oder dunkle Materie – große Massen verursachen immer große Gravitationskräfte. Die Auswirkungen dieser Kräfte können beobachtet und vermessen werden, auch wenn die verursachende Masse selbst nicht gesehen werden kann. Aus diesem Grund wäre eine Galaxie, die ausschließlich aus dunkler Materie besteht, sehr einfach physikalisch zu beschreiben. Denn man würde es nur mit der Gravitation zu tun haben und sich nicht um das komplexe Zusammenspiel von Gas, Sternentstehung, Supernovaexplosionen und chemischer Entwicklung in jeder Galaxie kümmern müssen.
Aus diesem Grund sind schon vor mehr als zehn Jahren riesige Simulationen entwickelt worden, die ausschließlich die Entwicklung der dunklen Materie im Universum betrachten, und zwar von kurz nach dem Urknall bis in die heutige Zeit. Man kann sich dieses Vorgehen etwa so vorstellen, wie wenn man im Kino 3D-Brillen aufsetzen müsste, um einen Film räumlich sehen zu können. Diese Simulationen ermöglichen uns also, das zu sehen, was wir quasi mit einer »Dunkle-Materie-Brille« sehen könnten.
Die zeitliche Entwicklung von sogenannten dunklen Halos wird in einer solchen Simulation genau verfolgt. Diese Halos sind Gebiete, an denen die dunkle Materie besonders verdichtet ist. Denn es wird angenommen, dass sich eine leuchtende Galaxie mitsamt ihrem stellaren Halo im Zentrum eines solchen dunklen Halos befindet. Diese Annahme beruht auf Beobachtungen und den Resultaten der Rotationskurvenanalyse, die ergeben haben, dass die Milchstraße und alle anderen Galaxien generell von einem großen Halo aus dunkler Materie umgeben sind. Wenn man also den Aufbau und die Entwicklung eines dunklen Halos simuliert, kann so indirekt auch die Entwicklung einer leuchtenden Galaxie verfolgt werden.
Der Begriff stellarer Halo bezieht sich auf die dünn besiedelte äußere Sternregion der Galaxie, während der Begriff dunkler Halo eine riesige dunkle Materieverdichtung beschreibt. Ein solcher dunkler Halo hat also nichts mit dem stellaren Halo der Milchstraße oder dem einer anderen Galaxie zu tun. »Halo« ist lediglich die Bezeichnung eines ausgedehnten kugelförmigen Objekts aus Materie.
Der Einfachheit halber werden also die Bildung und Entwicklung der Galaxien über Milliarden von Jahren hinweg ausschließlich über die Entwicklung ihrer Dunkle-Materie-Halos simuliert. Natürlich wäre es noch viel aufschlussreicher, wenn solche Simulationen nicht nur mit dunkler Materie, sondern zusätzlich auch mit leuchtender Materie ausgeführt werden könnten. Da diese Vorgänge aber sofort extrem komplex werden, steigen die Laufzeiten der Simulationen schnell ins Unermessliche. In den meisten Fällen überfordert das auch die schnellsten Supercomputer, es sei denn, man betrachtet nur die gröbsten Vorgänge dieser unzähligen physikalischen und chemischen Prozesse der Galaxienentstehung. Eine Ausweichmöglichkeit ist es, bestimmte Vorgänge unabhängig von der kosmologischen Entwicklung des Universums zu simulieren oder zeitlich sehr beschränkte Simulationen, z.B. zur Entstehung der ersten Sterne, durchzuführen.
Die kosmologischen Simulationen zeigen detailliert, wie sich kurz nach dem Urknall die ersten Verdichtungen, die ersten dunklen Halos, bildeten. Wenig später kamen einige dieser ersten Halos zusammen und verschmolzen zu einem etwas größeren Halo, von dem angenommen wird, dass er die erste Galaxie beherbergte. Dieser und weitere solcher kleineren Halos kollidierten wiederum miteinander und verschmolzen zu größeren. Die gesamte Materie bewegte sich dabei entlang von riesigen Filamenten, an deren Kreuzungspunkten diese Halos entstanden und weiterwachsen konnten, wenn nur genügend Materie und schon entstandene Halos am Kreuzungspunkt ankamen. Abbildung 11.1 zeigt diese Vorgänge anhand einer Momentaufnahme einer Dunklen-Materie-Simulation. Mit der Zeit konnten einige dieser Halos ziemlich groß werden – es wird angenommen, dass sie die heutigen großen Galaxien, wie die Milchstraße, beherbergen.
Abb. 11.1: Momentaufnahme einer kosmologischen Dunkle-Materie-Simulation zur Struktur- und Galaxienentstehung. Die dunkle Materie zeigt eine detaillierte Filamentstruktur innerhalb einer 300 Millionen Lichtjahre großen Region. Die helleren Gebiete deuten Verdichtungen der dunklen Materie an, in denen sich große Galaxien und Galaxienhaufen befinden.
Mit den kosmologischen Simulationen kann der Milliarden Jahre andauernde Übergang von einem fast
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