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Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)

Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Frebel
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strukturlosen Universum nach dem Urknall in ein Universum mit riesigen langgestreckten Filamenten und Geflechten verfolgt werden. Diese Simulationen reproduzieren diverse Galaxienbeobachtungen, die gezeigt haben, dass sich die leuchtende Materie nicht gleichmäßig im Universum verteilt, sondern dass sich stattdessen riesige Galaxienhaufen in netzartigen Strukturen ansammeln.
    Wegen dieses langwierigen hierarchischen Aufbauprozesses dauert die Entwicklung der meisten Galaxien immer noch an. Auch heute werden viele Galaxien beobachtet, die miteinander kollidiert sind, und selbst im Halo der Milchstraße können die Spuren von vergangenen Zusammenstößen mit kleineren Galaxien gefunden werden. Aufgrund der enormen Gravitationskraft der Milchstraße wurden im Laufe der Zeit viele Galaxien, besonders kleinere Zwerggalaxien, eingefangen und im Gezeitenfeld gnadenlos zerrieben. Die Überreste des Verspeisens von kleineren Galaxien können sogar direkt untersucht werden. Große photometrische und spektroskopische Durchmusterungen haben mehrere riesige längliche Ströme von Sternen entdeckt, die sich über den ganzen Himmel erstrecken. Sie sind nichts anderes als zerriebene, wie Kaugummi auseinandergezogene Zwerggalaxien. Diese Beobachtungen bewiesen, dass sich milchstraßenähnliche Galaxien in einem ziemlich kannibalistischen Prozess durch das stetige Auffressen von kleineren Galaxien ernähren und heranwachsen.
    Aber nicht alle kleineren Galaxien in der Umgebung der Milchstraße haben so schon ihr jähes Ende gefunden. Die Lokale Gruppe mit ihren vielen verschiedenen Zwerggalaxien ist ein »Nebenprodukt« der Entstehung unserer Galaxie. Die meisten dieser überlebenden Zwerggalaxien umkreisen entweder die Milchstraße oder Andromeda und werden dies wohl auch noch für lange Zeit friedlich tun. Aber für einige von ihnen wird schon bald das Ende kommen. Einige der schwächsten Galaxien zeigen Anzeichen einer Verformung durch das Gezeitenfeld der Milchstraße. Sie sind somit die nächsten Galaxien, die zerrissen werden und deren Sterne und Gas letztendlich im stellaren Halo der Milchstraße enden werden.
    Aus den vielen verschiedenartigen Beobachtungen ist schon seit langem bekannt, dass jede größere Galaxie von einer ganzen Reihe kleinerer Zwerggalaxien umkreist wird. Dieses Verhalten wird im Prinzip auch in den Simulationen gesehen. Abbildung 11.2 zeigt einen simulierten Halo aus dunkler Materie zum heutigen Zeitpunkt, der groß genug wäre, um eine Milchstraße zu beherbergen. Um ihn herum befinden sich mehr als tausend kleinere Halos, die den Zentralhalo wie einen riesigen Bienenstock eifrig umschwirren. Da auch Zwerggalaxien einen Halo aus dunkler Materie besitzen, kann angenommen werden, dass diese kleineren dunklen Halos das Pendant der heutigen Zwerggalaxien sind. Dementsprechend müsste erwartet werden, dass große Galaxien von Tausenden von Zwerggalaxien umkreist werden. Denn mit Hilfe der Simulationen können wir nicht nur etwas über die Entwicklung der Milchstraße lernen, sondern auch über die Zwerggalaxien und das Zusammenspiel zwischen ihnen und ihrer Zentralgalaxie.

Abb. 11.2: Detailaufnahme einer 4 Millionen Lichtjahre großen Region in einer kosmologischen Dunkle-Materie-Simulation. Heutzutage gibt es riesige Dunkle-Materie-Halos, die Galaxien wie die Milchstraße beherbergen. Diese Halos werden von einer Fülle kleinerer Halos umkreist, von denen angenommen werden kann, dass sie Zwerggalaxien beherbergen.
    Allerdings werfen diese Simulationsergebnisse ein besonderes Problem auf. Unsere Milchstraße wird nämlich nicht von mehr als tausend kleinen Zwerggalaxien, sondern nur von etwa dreißig dieser Knirpse umkreist. Diese Diskrepanz bereitet Astronomen schon seit einem Jahrzehnt Kopfschmerzen. Viele verschiedene Lösungsvorschläge haben immer noch keine Antworten gebracht, denn mit dieser Frage ist Folgendes eng verbunden: In welchem Ausmaß beherbergen die kleinen Halos aus dunkler Materie leuchtende Galaxien, die wir als Gas und Sterne beobachten können? Andersherum ausgedrückt, könnte es sein, dass die Milchstraße von unzähligen kleinen Halos aus dunkler Materie umgeben ist, die wir mit unseren herkömmlichen Teleskopen nicht detektieren können? Oder sind die Dunkle-Materie-Simulationen nicht detailliert genug, um leuchtende Galaxien und ihre komplexe Entwicklung grundsätzlich zu beschreiben?
    Neue, aufwendige Simulationen versuchen, Antworten auf diese fundamentalen Fragen zu finden.

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