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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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vielen fast gleichen als einziges noch beleuchtet zu finden, hatte er sich getäuscht und an das nächste geklopft, das bereits zum Nachbarhaus gehörte. Er entfernte sich unter Entschuldigungen und kehrte nach Hause zurück, glücklich darüber, daß die Befriedigung seiner Neugierde die Intaktheit seiner Liebesbeziehung klargestellt habe und daß er Odette, nachdem er ihr gegenüber seit so langem schon eine Art Gleichgültigkeit an den Tag gelegt, nicht durch seine Eifersucht den Beweis geliefert habe, daß er sie zu sehr liebte, einen Beweis, der unter Liebenden denjenigen Teil, der ihn erhält, für alle Zeiten davon dispensiert, auch nur genug zu lieben. Er sagte ihr nichts von diesem mißglückten Unternehmen und dachte selbst nicht mehr daran. Manchmal aber begegneten seine Gedanken in ihrem Lauf, ohne sie zuvor bemerkt zu haben, der Erinnerung an dieses Ereignis; sie stießen an sie und trieben sie weiter in ihn hinein; Swann verspürte dann einen jähen, heftigen Schmerz. Als hätte es sich um einen physischen Schmerz gehandelt, konnte Swann ihn durch Denken nicht lindern; bei einem physischen Schmerz aber kanndas Denken wenigstens, gerade weil er vom Denken unabhängig ist, verweilen, kann feststellen, daß er nachgelassen, daß er für eine Stunde ganz aufgehört hat. Jenen Schmerz aber schuf das Denken nur schon dadurch, daß es sich an ihn erinnerte, jedesmal neu. Nicht daran denken zu wollen war immer noch eine Art, daran zu denken und daran zu leiden. Wenn er dann im Gespräch mit seinen Freunden sein geheimes Leiden vergaß, so genügte manchmal ein Wort, daß sein Gesicht einen veränderten Ausdruck bekam wie das eines Verwundeten, dessen schmerzendes Glied ein Ungeschickter gedankenlos berührt. Wenn er Odette verließ, war er glücklich, er fühlte sich ruhig, er rief sich ihr Lächeln, spöttisch, wenn sie von diesem oder jenem sprach, zärtlich für ihn selbst, die Schwere ihres Kopfes, den sie aus seiner Achse verschob, um ihn ihm entgegenzuneigen, und dann fast willenlos auf seine Lippen sinken ließ, wie sie es zum erstenmal im Wagen getan hatte, die ersterbenden Blicke, die sie in seinen Armen liegend ihm zugeworfen hatte, während sie fröstelnd ihr geneigtes Haupt an seiner Schulter verbarg, ins Gedächtnis zurück.
    Im selben Augenblick aber zeigte ihm seine Eifersucht, als wäre sie der Schatten seiner Liebe, das Spiegelbild jenes neuartigen Lächelns, das sie ihm an diesem Abend zugeworfen hatte – und das, gleichsam seitenverkehrt, Swann jetzt verhöhnte und sich mit Liebe für einen anderen erfüllte –, das Spiegelbild auch jener Neigung des Kopfes, der freilich jetzt fremden Lippen entgegensinken wollte, jenes schließlich all der Zärtlichkeiten, die sie für ihn gehabt hatte und jetzt einem anderen schenkte. Alle Erinnerungen an die Lust, die er mit ihr gekostet hatte, waren jetzt ebenso viele Skizzen, ebenso viele »Entwürfe« gleich denen, die man für die Einrichtung eines Hauses vorgelegt bekommt, und nach denenSwann sich nun eine Vorstellung von den leidenschaftlichen oder schmachtenden Attitüden machen konnte, die sie für andere einnahm. Schließlich kränkte er sich um jeden Genuß, den er bei ihr fand, um jede Liebkosung, die sie erdacht und auf deren Süße er sie unvorsichtigerweise ausdrücklich hingewiesen hatte, jeden besonders anmutigen Reiz, den er an ihr entdeckt hatte, denn er war sich bewußt, daß diese alle gleich darauf nur ebenso viele neue Werkzeuge für seine Folterqualen abgeben würden.
    Diese wurden noch grausamer, als ihm die Erinnerung an einen kurzen Blick kam, den er zufällig und zum erstenmal vor ein paar Tagen aus Odettes Augen aufgefangen hatte. Es war nach dem Essen bei den Verdurins. Sei es, daß Forcheville in dem Gefühl, sein Schwager Saniette sei bei seinen Gastgebern nicht sehr gern gesehen, ihn als Zielscheibe wählte, um vor ihnen auf dessen Kosten zu glänzen, sei es, daß er gereizt war durch eine ungeschickte Bemerkung von dessen Seite, die übrigens unbeachtet an den Anwesenden vorübergegangen war, da sie gar nicht wußten, welche unfreundliche Andeutung sie – völlig entgegen der Absicht dessen, der sie vorgebracht hatte – enthalten mochte, sei es endlich, daß er seit längerer Zeit eine Gelegenheit suchte, jemanden aus dem Hause zu entfernen, der ihn zu genau kannte und der ihn mit seiner Feinfühligkeit in gewissen Augenblicken schon durch seine bloße Gegenwart genierte, jedenfalls antwortete Forcheville auf Saniettes

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