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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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Nebenerscheinung sah, die es nicht verdiente, daß ein um die großen Fragen der Außenpolitik besorgter Patriot sich mit ihr aufhielt. Vielleicht auch – und das ist wahrscheinlicher –, weil die Grundsätze seiner politischen Weisheit sich einzig auf Fragen der Form, des Verfahrens, der Opportunität bezogen und ganz ungeeignet waren, solche Grundprobleme anzugehen, so wie in der Philosophie die reine Logik für die Lösung der Fragen des Seins unzuständig ist, oder daß eben diese Weisheit es ihm gefährlich erscheinen ließ, solche Gegenstände zu behandeln, und daß er deshalb aus Vorsicht lieber nur von den Begleitumständen sprach. Bloch abertäuschte sich, wenn er glaubte, daß Norpois, selbst wenn er weniger vorsichtig von Natur und weniger ausschließlich formal in seinem Denken gewesen wäre und selbst wenn es es gewollt hätte, ihm die Wahrheit über die Rolle Henrys, Picquarts, du Paty de Clams 1 , über alle wichtigen Punkte der Affäre hätte sagen können. Für Bloch konnte es keinen Zweifel geben, daß Norpois tatsächlich die Wahrheit über all diese Dinge kannte. Wie hätte er nicht genau Bescheid wissen sollen, wo er doch mit den Ministern auf so vertrautem Fuße stand? Sicherlich dachte Bloch, die politische Wahrheit könne von den hellsichtigsten Geistern annähernd rekonstruiert werden, aber wie ein großer Teil der öffentlichen Meinung bildete er sich ein, sie sei stets, unbestreitbar und materiell in den Geheimakten des Präsidenten der Republik und des Ministerpräsidenten enthalten, die die Minister von ihr in Kenntnis setzen würden. Nun ist es aber selten, daß, selbst wenn die politische Wahrheit in Dokumenten Eingang findet, diese mehr Wert besitzen als ein Röntgenbild, von dem man gemeinhin glaubt, die Krankheit des Patienten sei darin buchstäblich abgemalt, während diese Aufnahme tatsächlich nur ein Element der Beurteilung darstellt, das zu vielen anderen hinzutritt, die der Arzt abwägt und anhand deren er seine Diagnose erstellen wird. Daher entzieht sich die politische Wahrheit auch gerade, wenn man sich wohlunterrichteten Männern nähert und engste Berührung mit ihr zu haben scheint. Selbst späterhin, um bei der Dreyfus-Affäre zu bleiben, als so Aufsehen erregende Dinge geschahen wie Henrys Geständnis und sein darauffolgender Selbstmord, wurden diese Tatsachen auf der Stelle von den dreyfusfreundlichen Ministern und auf der anderen Seite von Cavaignac und Cuignet, die selbst die Fälschung aufgedeckt und das Verhör geführt hatten, auf entgegengesetzte Weise ausgelegt; ja, sogar noch mehr: selbst unter den dreyfusfreundlichenMinistern gleicher Couleur wurde, wiewohl sie sich im gleichen Geiste auf die gleichen Beweisstücke stützten, die Rolle Henrys auf völlig verschiedene Weise interpretiert, wobei die einen in ihm einen Spießgesellen von Esterházy sahen, die anderen diese Rolle hingegen du Paty de Clam zuwiesen, sich damit aber einer These ihres Gegners Cuignet anschlossen und in totale Opposition zu ihrem Parteigänger Reinach 1 gerieten. Alles, was Bloch aus Norpois herausbringen konnte, war, daß es zweifellos außerordentlich bedauerlich wäre, wenn tatsächlich der Chef des Generalstabs, Monsieur de Boisdeffre, Monsieur Rochefort eine geheime Mitteilung hätte zukommen lassen. 2
    »Sie können versichert sein, daß der Kriegsminister seinen Generalstabschef – zum mindesten in petto 3 – zu allen Teufeln gewünscht haben muß. Ein offizielles Dementi wäre meines Erachtens nicht zuviel des Guten gewesen. Doch der Kriegsminister drückt sich darüber inter pocula 4 äußerst drastisch aus. Es gibt im übrigen gewisse Themen, bei denen es sehr unklug wäre, eine Unruhe zu erzeugen, über die man in der Folge nicht Herr bleiben kann.«
    »Aber die Stücke sind doch offenkundig gefälscht«, meinte Bloch.
    Norpois antwortete nicht, sondern erklärte, daß er die Sympathiebezeigungen des Prinzen Henri von Orléans nicht für glücklich halte. 5
    »Übrigens sind sie nur geeignet, die Ruhe des Gerichtshofes zu stören und Unruhe zu stiften, was im einen wie im anderen Sinne äußerst bedauerlich wäre. Sicherlich muß man antimilitaristischen Umtrieben einen Riegel vorschieben, aber auch ein Gezänk, das von derjenigen Seite der Rechten unterhalten wird, die, anstatt der patriotischen Idee zu dienen, nur darauf bedacht ist, sie sich dienstbar zu machen, können wir nicht brauchen.Frankreich ist keine Replik südamerikanischer Zustände, das Bedürfnis nach

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